Konzentriert und selbstkritisch arbeiten die jungen Sänger an ihrer ersten CD-Aufnahme. Foto: Sabine Schwieder

Diese Musik klingt nicht nur schön, sie rührt auch an. Das Männerensemble Varietas Canti nimmt in der Christuskirche seine erste gemeinsame CD auf. Der Tenor Sebastian Sturm lebt in Heumaden.

Heumaden/S-Ost - Fünf junge Männer in Jeans, T-Shirt und Holzfällerhemd stehen in einem großen, leeren Kirchenraum. Vor ihnen ein Set mit zwei Mikrofonen, zwischen den Kirchenbänken ein älterer Herr mit Laptop und Kopfhörern. Mehr braucht es scheinbar nicht, um eine Musik auf CD zu bannen, die nicht nur schön klingt, sondern auch anrühren kann. Wie gelingt den Mitgliedern des jungen Männerensembles Varietas Canti dieses Wunder? Ein Besuch bei den Aufnahmen zur ersten gemeinsamen CD des 2012 gegründeten Ensembles zeigt: durch hohe Konzentration und den Wunsch nach Perfektion.

Ein eigenes Stück komponiert

Die fünf Sänger zwischen 20 und 26 haben sich bei den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben kennengelernt, wo sie eine grundlegende Ausbildung erhielten und viel Konzerterfahrung sammeln konnten. Doch ein fünfköpfiges Männerensemble ist eine etwas andere Herausforderung. „Eine kleine Besetzung bietet mehr Möglichkeit, sich die Musik detaillierter zu erarbeiten“, sagt Sebastian Sturm. Der Tenor lebt in Heumaden, arbeitet in Stuttgart und ist in der Gruppe für die Organisation zuständig. Seine Tenorkollegen Jakob Würfel und Felix Weiser studieren in Stuttgart und Dresden, die Bässe Philip Schäfer und Sinan Altinisik studieren in Tübingen und in Stuttgart. Altinisik, im Stuttgarter Westen beheimatet, hat für die CD-Aufnahme sogar ein eigenes Stück komponiert.

Ihre schönen Stimmen bilden einen homogenen Klang, an dem sie lange gefeilt haben. Wer aber glaubt, es hier mit routinierten Profis zu tun zu haben, täuscht sich: Die Jungs studieren Raumfahrttechnik oder Geschichte, keiner von ihnen hat vor, die Musik zum Beruf zu machen. Umso beeindruckender ist das Ergebnis, das sie meist in Gottesdiensten präsentieren. Ihr jüngstes Konzert im Dezember in der Alten Kirche in Heumaden war rappelvoll: Varietas Canti hat sich in wenigen Jahren ein interessiertes Publikum erarbeitet.

Vielfältiges Repertoire

Der Name ist ein Kunstname: aus dem lateinischen varietas cantandi (Die Vielfalt des Singens) haben die fünf eine eigene Version gemacht, die auf die Vielfalt auch ihres Repertoires hinweist. Von der geistlichen Kirchenmusik kommend, singen sie ebenso weltliche Madrigale der Renaissance wie amerikanische Barber-Shop-Songs oder die frechen Lieder ihres Leipziger Vorbildes Die Prinzen.

Für ihre erste CD haben sie sich ausschließlich sakrale Musik ausgesucht. Unter dem Arbeitstitel „Kontraste“ haben sie Altes und ganz Neues in der Reihe des Kirchenjahres zusammengefasst und thematisch in eine Ordnung gebracht. Das beginnt mit einem adventlichen „I will Praise thee, o Lord“ des 2014 gestorbenen norwegischen Komponisten Knut Nystedt und schließt mit einem versöhnlichen „Pater Noster“ von Adrian Willaert (gestorben 1562).

Die 15 Stücke, Gesamtspieldauer rund 50 Minuten, werden an zwei Wochenenden eingespielt – ein Kraftakt, der den jungen Männern viel abverlangt. Doch die Akustik in der Christuskirche an der Gänsheidestraße, wo die Sänger auch proben, ist ideal. Sogar Profis wie die Hymnus-Knaben oder das SWR-Vokalensemble nehmen hier regelmäßig auf.

Der Tipp: mehr aufeinander hören

An diesem Spätnachmittag steht eine 1955 entstandene Komposition von Rudolf Mauersberger auf dem Programm. Der Text („Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss“) verweist auf den Totensonntag. Das kleine Klavier an der Seite dient nur zum Töneangeben: Hier wird ausschließlich a capella gesungen. Für die Zuhörer klingt bereits die erste Version des getragenen Stückes wunderschön, doch der Tontechniker und die Sänger sind nicht ganz zufrieden. „Beim Übergang von Takt 20 zu 21 läuft etwas nicht ganz rund. Waren die Mittelstimmen da laut genug?“, merkt Achim Schäfer kritisch an.

Der Pianist und Klavierlehrer verfolgt am Laptop und über Kopfhörer, was die Sänger so treiben. Nebenbei schaut er auf die Noten, die neben ihm auf einem Pult liegen. Schäfer ist offensichtlich nicht nur für die Technik zuständig: Er sorgt als erster kritischer Hörer dafür, dass die Musik ausgewogen klingt. „Es wäre gut, wenn ihr noch ein wenig mehr aufeinander hören würdet“, rät er freundlich, als der Tenor dazu tendiert, sich zu strahlend über die Stimmen seiner Kollegen zu erheben.

Beim anschließenden Gebet von Francis Poulenc (geboren 1889) kämpfen die Sänger mit der Aussprache des französischen Textes und fordern einen neuen Versuch. Die jungen Männer machen einen sehr selbstkritischen Eindruck. „Geht doch“, sagt Achim Schäfer aufmunternd, als der zweite Versuch dann stimmt. „Das war richtig geil“, kommentiert Tenor Felix, nachdem er das Ergebnis per Kopfhörer geprüft hat.

Schlussakkord als Herausforderung

Besonders streng mit sich sind die fünf beim Thema Intonation. Das „Surrexit Pastor bonus“ von Giovanni Pierluigi da Palestrina aus dem 16. Jahrhundert ist in dieser Hinsicht besonders anspruchsvoll. Immer wieder wird überprüft, ob der Schlussakkord auch wirklich mit dem Klavier übereinstimmt.

Zuletzt wirken die Stimmen müde, und so wird nur noch geprobt. Bass Sinan Altinisik hat mit „Das warme Licht“ ein eigenes Stück zum Erntedank beigesteuert. Ein schöner Klangteppich in der skandinavischen Tradition, doch ob dieses drei Minuten lange Stück es wirklich in die Aufnahme schaffen wird, hängt davon ab, wie gut die Sänger ihr Programm zeitlich schaffen. Zu wünschen wäre es ihnen – und den Zuhörern auch.

Wann die CD erscheint:

Die CD von Varietas Canti soll am Samstag, 23. Oktober, um 18 Uhr bei einem Konzert in Backnang (Christkönigskirche) erstmals vorgestellt werden. Auf der Homepage www.varietas-canti.de sind einige ältere Live-Aufnahmen zu hören, darunter auch das Stück von Mauersberger.