Kandidat für Backes-Nachfolge: Eckart von Hirschhausen Foto: dpa

Beim SWR läuft das Casting für die Talk-Sendung „Nachtcafé“, die Wieland Backes nach über 27 Jahren im Dezember verlässt. Wir schauen in die Karten des Senders. Vier Buben und eine Dame sind in der engeren Wahl. Wer sticht?

Stuttgart - Der Ruf der Talk-Shows ist lädiert. Aber was heißt das schon? Die Leute lästern und schalten trotzdem ein. So wahr der Tratsch im Treppenhaus eine Wohngemeinschaft zusammenhält, so sehr üben Fernsehrunden im Wechselspiel von Geborgenheit und Sensation eine Faszination aus, zu der man nach außen nicht steht. Kritik an der TV-Quassel-Kultur ist beliebt. Zuletzt hat sich die aus Stuttgart stammende Schauspielerin Nina Hoss über „wahnsinnig viel Gerede“ im Fernsehen beklagt. Oft schaue sie eine Sendung, sagte sie in der „Brigitte“, und frage sich hinterher: „Worum ging es eigentlich?“

Von den Themen bleibt wenig haften – dafür wissen die Zuschauer umso mehr, welche Moderatoren sie nicht ausstehen können. Das erinnert an die Politik. Da wie dort fragt man sich: Warum tun sich Menschen das an und streben zu öffentlichen Posten, die sie zur Zielscheibe machen? Eitelkeit war aber schon immer ein guter Motor. Für die Nachfolge von Wieland Backes, der nach 27 Jahren das „Nachtcafé“ verlässt, haben sich beim SWR zahlreiche Moderatoren beworben, die ein schweres Erbe antreten wollen. Talk mit Niveau ist ein hoher Berg, den nicht jeder erklimmen kann. Ob in der Politik oder in anderen Laberbranchen: Wir spekulieren alle immer wieder gern, wer was wird oder wer was werden will und nix wird.

Im November, hat SWR-Sprecherin Anja Görzel den Stuttgarter Nachrichten gesagt, werde der Sender bekanntgeben, wer im Januar 2015 auf dem Talk-Chef-Stuhl Platz nimmt, der künftig nicht mehr im Ludwigsburger Schloss Favorite steht, sondern im E-Werk von Baden-Baden. Es soll ohne große Pause schnell weitergehen. Schlimm genug, dass die Region Stuttgart als Medienstandort erneut verloren hat und eine wichtige Sendung an die badische Provinz abgeben muss (wenigstens bleibt die Redaktion hier). Noch einige Wochen haben wir Zeit, uns den Wonnen der Spekulation hinzugeben.

Der Sender testet derweil eifrig beim Casting, wer seinen Quotenhit übernehmen darf. Unter den überwiegend männlichen Bewerbern war auch eine Frau: Lisa Ortgies vom WDR bekam die Aufgabe, vor laufenden Kameras im Stuttgarter Fernsehstudio eine Sendung mit echten Gästen zu moderieren, bei der es um die Frage ging: Kann man auch ohne Kinder glücklich werden?

Kann man auch ohne „Nachtcafé“ glücklich sein? Nur einer oder eine kann gewinnen. Hier unser Kandidatencheck der vier Buben und der einen Dame, die beim SWR-Casting gute Karten haben:

Lisa Ortgies, 48, Moderatorin der WDR-Sendung „Frau-TV“. Ihre Pluspunkte: frech und forsch, Kämpferin für Gleichberechtigung, kam in ihrer Probesendung beim Publikum gut an. Ihre Minuspunkte: zu sehr auf die feministische Schiene festgelegt, nicht durchsetzungsfähig genug – als Chefredakteurin von „Emma“ musste sie im Streit mit Alice Schwarzer rasch gehen.

Michael Antwerpes, 51, SWR-Moderator von Sport- und Unterhaltungssendungen wie „Sag die Wahrheit“. Seine Pluspunkte: ein Profi durch und durch, gilt als kompetent, seriös, erfolgsorientiert. Seine Minuspunkte: oft zu routiniert, lächelnd ohne Tiefgang, selbstverliebt, in die Kritik geraten wegen gut bezahlter Nebenjobs.

Max Moor, 56, Moderator von „Titel, Thesen, Temperamente“. Pluspunkte: engagiert, ehrlich, kritisch, nicht oberflächlich. Minuspunkte: ein wenig oberlehrerhaft, kein Sympathieträger für die Massen.

Florian Weber, 38, SWR-Moderator der „Landesschau“ und des „ARD-Büfetts“. Seine Pluspunkte: jung, sympathisch, freundlich, Schwiegermuttertraum. Seine Minuspunkte: noch nicht lebenserfahren genug für einen anspruchsvollen Talk.

Eckart von Hirschhausen, 47, Arzt. Entertainer, Comedian, Bestseller-Autor, ARD- Moderator von „Quiz des Menschen“. Seine Pluspunkte: hohe Popularität, schlagfertig, witzig, aber auch nachdenklich und glaubwürdig. Seine Minuspunkte: oft belehrend, zu sehr in die Wissenschaften verliebt.

In den Fluren des SWR-Funkhauses heißt es, dass „Hirschi“ den Job bekommt, wenn er nur will. Seine Agentur wollte uns (noch?) nicht bestätigen, dass er zum „Nachtcafé“ wechselt. Kann es ein Zufall sein, dass der 47-Jährige gerade erst die NDR-Talksendung „Titjen und Hirschhausen“ gekündigt hat? Hat er das getan, weil er den Vertrag beim SWR unterschreiben wird?

Aber noch ist alles offen. Wer weiß, vielleicht zaubert der Sender noch einen ganz anderen Trumpf aus dem Ärmel.