Im Aktivpark Bergheide haben die Teilnehmer aus dem Projekt Libero einige Stunden verbracht. Der Sprung aus luftiger Höhe hat sie viel Überwindung gekostet. Foto: Torsten Ströbele

In Feuerbach werden an der Steiermärker Straße Wohnungslose fit für den Alltag gemacht.

Feuerbach - Thomas hat einen Plan, wie sein Leben in der Zukunft aussehen soll. Das war nicht immer so. Dem 25-Jährigen fehlte lange Zeit die Perspektive, viel sei schiefgelaufen, sagt er. „Ich war nicht der netteste Jugendliche.“ Sechs Jahre war er im Heim. Gewalt hat in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt. Als ihn dann sein Vater 2009 vor die Tür setzte und seine Mutter ihn nicht bei sich aufnehmen wollte, war die Abwärtsspirale nicht mehr aufzuhalten. Etwa anderthalb Jahre habe er auf der Straße gelebt. „Die ersten Wochen gingen noch. Ich konnte bei Freunden im Keller oder in der Garage schlafen“, sagt Thomas. Doch selbst die engsten Vertrauten entfernten sich bald von ihm. Er stand alleine da, musste sich durchschlagen, um zu überleben und nahm Drogen. „Heute fühle ich mich viel besser“, sagt Thomas. Das liege vor allem daran, dass er seit geraumer Zeit am Projekt Libero der Caritas teilnehmen kann.

Zehn Männer, alle ohne festen Wohnsitz, haben seit Jahresbeginn die Möglichkeit, wieder mehr Struktur in ihren Tagesablauf zu bringen. „Sie haben im Schnitt etwa anderthalb Jahre auf der Straße gelebt und wohnen nun erst einmal bei uns im Don-Bosco- oder Carlo-Steeb-Haus“, sagt Heidi Schweble, Teamleiterin Sozialdienst bei der Caritas. Allen fehle es an Selbstvertrauen, rund zwei Drittel haben Drogen konsumiert oder ein Alkoholproblem. „Sie sind irgendwann auf der Straße gelandet, da ist bei ihnen viel kaputt gegangen. Aus eigener Kraft schaffen sie es nicht, sich aus ihrer Situation zu befreien.“ Schon das morgendliche Aufstehen falle vielen schwer. Termine beim Jobcenter oder der Suchtberatungsstelle würden nur sporadisch wahrgenommen. „Wir wollen ihnen eine gewisse Stabilität geben, ihnen zeigen, dass man den Tag auch sinnvoll verbringen und dabei Spaß haben kann“, sagt Schweble. „Die Jungs sollen erkennen, dass sie etwas können und sich etwas zutrauen. Das ist aber ein langer Prozess.“

Finanzierung des Projekts ab 2015 noch nicht gesichert

Doch schon nach den ersten Monaten des Libero-Projekts kann Schweble bei vielen Teilnehmern erkennen, dass sie Fortschritte gemacht haben. „Jetzt wecken sie sich sogar schon morgens gegenseitig, damit niemand verschläft.“ Denn: Pünktlich um 9 Uhr ist Abfahrt. Zuvor wird noch gemütlich ein Kaffee getrunken. Vom Don-Bosco-Haus im Stuttgarter Westen beziehungsweise Carlo-Steeb-Haus in Bad Cannstatt geht es an die Steiermärker Straße nach Feuerbach, wo die Caritas auch das Projekt „Jugend.Arbeit.Perspektive“ verortet hat. Von dort aus werden Umzüge, Maler- und kleinere Renovierungsarbeiten organisiert oder es wird vor Ort im Garten gewerkelt. Aber auch gemeinsame Freizeitaktivitäten gehören zum Alltag wie beispielsweise Fußball spielen, grillen oder kochen. „Es tut gut, etwas zu tun zu haben“, sagt Thomas. Er möchte in naher Zukunft den Falkner- und Jagdschein machen sowie eine Ausbildung beginnen. „Irgendwann hoffe ich, einen Gnadenhof eröffnen zu können. Ich liebe Tiere.“ Die Projektgruppe unterstütze ihn und gebe ihm Kraft.

Auch Michael ist Teil des Libero-Projekts. Mit 13 ist er das erste Mal von zuhause abgehauen. „Es gab viel Stress. Meine Mutter und ich können einfach nicht aufeinander hocken“, sagt der 20-Jährige. Auch er lebte auf der Straße. „Dort habe ich hauptsächlich Chemie konsumiert – Speed, Ecstasy“, sagt Michael. Gearbeitet habe er nicht, sondern geschnorrt, geklaut und Drogen verkauft. Die Zeiten sind aber vorbei. „Hier bin ich beschäftigt, komme auf andere Gedanken und habe Leute getroffen, mit denen ich sehr gut auskomme. Das hat mir gefehlt“, sagt Michael. Er würde sich wünschen, dass das Projekt Libero noch lange existiert, damit auch anderen mit ähnlichen Biografien geholfen werden kann. Doch wie es im nächsten Jahr weitergeht, ist noch nicht klar. Am 31. Dezember läuft die Finanzierung des Projektes durch den Europäischen Sozialfonds aus. Bei der Stadt wird geprüft, ob Libero weitergeführt wird. „Bis nach der Sommerpause sind die internen Überlegungen abgeschlossen. Dann wissen wir mehr“, sagt der designierte Leiter des Sozialamtes, Stefan Spatz.