Markus Trelle im Spielzimmer, wo die Jüngsten ihre Probleme darstellen können. Foto: Neth

Die psychologische Beratungsstelle der Caritas muss seit 50 Jahren auf gesellschaftlichen Umbrüche reagieren. Zugenommen haben offenbar vor allem die Probleme von Kindern bei einer Trennung der Eltern.

S-Süd - Manchmal erscheint der Berg von Problemen so hoch, dass nur noch der Blick aus der Entfernung helfen kann. Für solche Situationen bietet die Caritas seit nun 50 Jahren die kostenlosen Dienste ihrer psychologischen Beratungsstellen in Bad Cannstatt und in der Fangelsbachstraße an. Das Angebot umfasst die Sozial- und Lebensberatung für Menschen bis zum 63. Lebensjahr bei familiären oder finanziellen Problemen, Schwierigkeiten in der Ausbildung oder am Arbeitsplatz, in Lebenskrisen oder bei der Vermittlung von Kuren.

Daneben bietet die Caritas die psychologische Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahren an. Hier kommen vor allem Mütter, wenn sie sich Sorgen um ihre Kinder machen, mit deren Erziehung überfordert sind oder Verhaltensauffälligkeiten des Nachwuchses alleine nicht in den Griff bekommen. „Vor allem die Probleme von Kindern bei einer Trennung der Eltern haben hier zugenommen“, sagt der Leiter der psychologischen Beratungsstelle, Markus Trelle. „Die Themen haben sich geändert. Sie unterliegen dem Zeitgeist“, sagt er. Die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen steht häufig im Fokus. Da sollten Eltern schon mal darauf bestehen, dass das Mobiltelefon nicht im Kinderzimmer ist, solange die Hausaufgaben gemacht werden. Ebenso drehen sich viele Probleme um den Komplex Inklusion und Integration.

Immer mehr Helikoptereltern

Wegen Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern kamen die Eltern schon seit jeher zur Beratungsstelle, aber die Rahmenbedingungen ändern sich immer wieder. So scheint es heute für viele Mütter und Väter zunehmend schwieriger zu werden, die Elternrolle anzunehmen. „Erziehung hat nichts Selbstverständliches mehr“, lautet Trelles Resümee. „Kinder müssen lernen, sich alleine zu bewegen“, sagt er mit Blick auf die steigende Zahl der sogenannten Helikoptereltern. „Wir freuen uns zwar, wenn Eltern am schulischen Leben der Kinder partizipieren. Aber andererseits lernen die Kinder heute nicht mehr, ihre Konflikte selbst auszustehen.“ Für die Jüngsten, die über ihre Situation noch nicht reden können, hat die Beratungsstelle ein Spielzimmer, denn hier können sie spielerisch ihre Probleme darstellen. Elterngespräche schließen sich daran an.

Es kommen aber auch Jugendliche und junge Erwachsene, die vom Elternhaus keinerlei Förderung erhalten und von den Beratern Beistand bei ihrer Zukunftsplanung erhoffen. In solchen Fällen ist die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen wie dem Mädchengesundheitsladen, Pro Familia oder der Schuldnerberatung häufig angesagt. „Es kommt aber auch die Studentin, die sich an der Uni nicht mehr zurecht findet“, berichtet Trelle. Gerade junge Menschen suchen häufig Hilfe über das Internet und schreiben die Berater und Beraterinnen, die von der Homepage der Caritas lächeln, direkt an. „Das geht eben auch um Mitternacht und nimmt die Schwellenangst. Der Schritt, sich selbst Hilfe zu holen, ist eben sehr groß“, weiß der Leiter der Beratungsstelle.

Mütter suchen eher Rat als Väter

Die Klienten kommen aus allen Bevölkerungsschichten. Allein die klassische bildungsferne Familie wird nicht aus eigenem Antrieb kommen. 41 Prozent der insgesamt 900 Ratsuchenden im vergangenen Jahr kamen auf eigene Initiative. Der Rest wurde von der Kinderbetreuungseinrichtung, der Schule, dem Arzt, von Bekannten oder vom Jugendamt überwiesen. Bei den Eltern, die wegen Erziehungsproblemen kommen, überwiegen die Mütter (61 Prozent) gegenüber den Vätern (15 Prozent). Der Anteil der Jugendlichen, die selbst Hilfe suchen, liegt bei 16 Prozent.

In 60 Prozent aller Familien, die zur Caritas kamen, hat mindestens ein Elternteil einen Migrationshintergrund. Seit drei Jahrzehnten treffen sie hier auf Berater, die auch serbokroatisch oder italienisch sprechen und eine muttersprachliche Beratung leisten können.