Autos parken auf dem Cannstatter Marktplatz. Noch! Foto: Kern

Rund 38 Jahre nach Stuttgart soll auch Cannstatt einen autofreien Marktplatz erhalten.

Stuttgart - Rund 38 Jahre nach dem Stuttgarter Zentrum soll auch Cannstatt einen autofreien Marktplatz erhalten. Die Stadtverwaltung will mindestens eine erste Stufe der Räumung einläuten. Die ökosoziale Mehrheit im Rathaus der Landeshauptstadt möchte alle Autos weg kriegen.

Auf der Liste der kleinen Glaubenskriege, die sich die Cannstatter in den vergangenen Jahrzehnten leisteten, steht das Thema autofreier Marktplatz ganz oben. Es war ein Hin und Her. 1983 und 1989 beschloss der Bezirksbeirat einstimmig, dass die Autos weg sollen. Doch insbesondere die CDU kam bei ihrer Kursbestimmung gelegentlich ins Schleudern. Mal war sie in Cannstatt gegen den autofreien Marktplatz, mal dafür. Die Wende zum Ja vollzog sie 1993. Doch passiert ist bisher nichts.

270 Stellplätze in der Umgebung

Erst nach dem Wahltriumph der Grünen bei der Gemeinderatswahl 2009 wurde im Stuttgarter Rathaus die Initiative wieder ergriffen. Am Dienstag im Umwelt- und Technikausschuss forderte die ökosoziale Mehrheit aus Grünen, SPD und SÖS/Linke die Verwaltung auf, noch im Herbst eine Beschlussvorlage mit dem Ziel eines autofreien Marktplatzes vorzulegen. Dabei trat die CDU in Person ihrer Stadträte zusammen mit den Liberalen und den Freien Wählern wieder auf die Bremse. Ohne Nutzungskonzept für die gewonnene Freifläche und ohne städtebauliches Konzept wolle die CDU keinen autofreien Marktplatz anstreben, nicht einmal einen teilweise autofreien, sagte Philipp Hill. Auch Joachim Fahrion (Freie Wähler) forderte ein Gesamtkonzept. Doch das Gesamtkonzept, für das Fahrion auch nur einen Stellplatz opfern würde, gebe es nicht, erwiderte Michael Kienzle (Grüne). Will heißen: Da werde nur auf Zeit gespielt.

Die Entwicklung geht am bürgerlichen Lager aber vorbei. Im Stuttgarter Rathaus hat es dank eines Abweichlers im anderen Lager zwar gerade die Sozialbürgermeister-Wahl gewonnen, sonst aber ist es Minderheit. Auch die Stadtverwaltung will den Autoverkehr vom Marktplatz wegbringen - wenn auch zunächst stufenweise. Das Hochbauamt schlug vor, dass zwischen dem historischen und dem neueren Bezirksrathaus eine Blickachse freigehalten werden soll, was zunächst 20 von 52 Parkplätzen kosten wird. Dort sollte nach Meinung von Bezirksvorsteher Thomas Jakob der Narrenbrunnen errichtet werden, den der Kübelesmarkt Bad Cannstatt spendieren will. Jakob: "Dieser Brunnen wird auch den Wochenmarkt aufwerten."

Das Stadtplanungsamt sieht in der 8,2 Millionen Euro teuren Sanierung des historischen Rathauses, die bis Anfang 2013 dauern dürfte, einen Probelauf: Die Baustelleneinrichtung wird bereits Parkplätze kosten und Autofahrer zum Parken im 250 Meter entfernten Parkhaus Mühlgrün zwingen. Danach könnte der nördliche Platzbereich autofrei bleiben. "Aber auch ein komplett autofreier Platz wäre gut vorstellbar", erklärten die Verkehrsplaner. In der Umgebung und im Parkhaus gebe es zusammen noch 270 Stellplätze. Prompt gab Peter Pätzold (Grüne) das Signal, dass man auch den südlichen Bereich von Autos befreien wolle. Das könne gleich dann geschehen, wenn die Baustelle am Rathaus eingerichtet wird, sagte Pätzold auf Anfrage. Die Entscheidung solle im Herbst fallen, der Marktplatz möglichst 2011 von Autos befreit werden.