Rainer Redies betrachtet das Medaillon, auf dem Berthold Auerbach abgebildet ist. Foto: Eva-Maria Bast

Zur Erinnerung an Berthold Auerbach wurde in Bad Cannstatt einst eine Büste aufgestellt, die im Krieg vermutlich zur Herstellung von Waffen eingeschmolzen wurde. Heute erinnert ein Medaillon an den populären Schriftsteller.

Bad Cannstatt - Die Linde steht noch heute. Die Büste nicht. Stattdessen ziert nun ein Medaillon den Steinsockel, auf dem sich das Denkmal einst befand. Und dieses Medaillon, überlegt der geschichtskundige Cannstatter Rainer Redies, ist eine Art Wiedergutmachung an dem Mann, dem das Denkmal gewidmet war: Berthold Auerbach.

Wiedergutmachung? Es war 25 Jahre nach seinem Tod, also anno 1907, als man sich entschloss, dem populären Schriftsteller ein Denkmal zu errichten. „Denn er hat zwar in vielen Städten gewirkt und gelebt, aber Bad Cannstatt mochte er ganz besonders“, erzählt Redies. „Deshalb haben sie auch schon zu seinen Lebzeiten eine Linde gepflanzt.“ Am 23. Mai 1909 war es soweit: Das Denkmal wurde mit einem großen Festakt eingeweiht. Gegenüber der Linde stand nun also die Büste Berthold Auerbachs. Zumindest bis 1933, dann ließ man sie entfernen. Der Grund ist nicht schwer zu erraten: Berthold Auerbach war Jude.

Das bewegte Leben des Berthold Auerbach

Sein Leben war denkbar bewegt, angepasst war Berthold Auerbach nie: Schon als Schüler stand er der akademischen Verbindung Arminia nahe, am 23. Juni 1834 wurde er verhaftet. Man beschuldigte ihn, radikal-liberaler Burschenschafter zu sein und staatsfeindliche Umtriebe begangen zu haben. Am 8. Januar 1837 musste er für zwei Monate in Haft auf der Festung Hohenasperg, wo fast ausschließlich Burschenschaftler einsaßen.

Danach widmete er sich der Schriftstellerei und wurde ein sehr populärer und höchst erfolgreicher Autor. Sehr deutlich nahm Auerbach wahr, dass der Antisemitismus in Deutschland zunehmend stärker wurde. Er schrieb: „Will sich aber der Jude frei und selbstständig, mit dem ganzen Gehalte einer eigentümlichen Persönlichkeit, neben sie, oder gar gegen eine ihrer Tendenzen stellen, so brechen die Spuren eines nur überdeckten Judenhasses hervor.“ Und: „Es ist eine schwere Aufgabe, ein Deutscher und ein deutscher Schriftsteller zu sein, und noch dazu ein Jude.“

Mahnmal und Raum des Friedens

Weil Auberbach Jude war, wurde das Denkmal, das ihm die Cannstatter schufen, also entfernt und während des Krieges wohl eingeschmolzen, damit daraus Waffen gemacht werden konnten. Die Tragik, dass aus der Büste eines Juden Munition wurde für einen Krieg, der den Juden unendliches Leid bescherte, muss nicht weiter betont werden.

Nach dem Krieg kam vielfach der Wunsch einer „Wiedergutmachung“ auf. „Die Idee entstand, eine neue Büste zu errichten“, erzählt Rainer Redies. „Doch offenbar war das Modell nicht mehr vorhanden. Im Marbacher Literaturarchiv fand sich jedoch ein Marmorrelief, das Auerbach zeigt. Nach diesem Modell wurde ein Medaillon gefertigt und im Dezember 1951 angebracht.

Eine gute Lösung: Nur von der Seite aus, die der Linde zugewandt ist, ist das Medaillon zu sehen. Irgendwie ist der Raum zwischen Linde und Medaillon ein Raum des Friedens, während die Nacktheit des Sockels an den anderen drei Seiten nach wie vor ein Mahnmal darstellt.

Buch-Informationen

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