Das Café La Strada im Rotlichtviertel ist Anlaufstelle für Prostituierte Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Vor 20 Jahren wurde das La Strada gegründet. Mittlerweile ist die Anlaufstelle für Prostituierte in der Jakobstraße aus dem Hilfesystem der Stadt nicht mehr weg zu denken. An diesem Freitag feiert sie Geburtstag.

Stuttgart - Die Endsechzigerin ist Stammgast im La Strada in der Jakobstraße. Die Stuttgarterin arbeitet noch immer als Prostituierte, empfängt allerdings nur noch Stammkunden. Die Anlaufstelle für Frauen, die anschaffen, besucht sie seit 1996, als das Café noch im Keller des ehemaligen Leonhardsbads war. Regelmäßig ins La Strada kommt sie „wegen des Essens“ und um eine Bekannte zu treffen, die den Ausstieg aus der Prostitution geschafft hat. Die beiden gehören zu den wenigen Deutschen, die ins La Strada kommen. Die rund 20 anderen Frauen dort sprechen so gut wie kein Deutsch. „Das war früher ganz anders. Da gab es fast nur Deutsche, und der Zusammenhalt unter den Frauen war größer“, sagt die Endsechzigerin und zuckt mit den Schultern.

Bevor das La Strada im Leonhardsbad gegründet wurde, hatte Schwester Margret Ebe mit einer Handvoll ehrenamtlicher Helferinnen mit einem Teestübchen einen Aufenthaltsort für Prostituierte eingerichtet. Weil das Heim umgebaut wurde, musste das Teestübchen schließen. Der Treff, den Schwester Margret bei der Paulinenbrückeeinrichten wollte, wo sie auch Obdachlose betreut, war zu weit weg vom Rotlichtviertel. „Da sind Frauen nicht hin“, erinnert sich Sabine Constabel, Sozialarbeiterin beim Gesundheitsamt und von Anfang an im La Strada dabei.

Die Idee, Prostituierten einen Platz zu bieten, wo sie sich aufwärmen können, ein Vesper und Hilfe bei Problemen bekommen und Männer keinen Zutritt haben, hat die Franziskanerin aber nicht aufgegeben. „Schwester Margret besuchte mich im Gesundheitsamt und regte eine Zusammenarbeit zwischen Caritasverband und städtischem Gesundheitsamt an“, erinnert sich Dorothea Fischer, ehemalige Leiterin des Stuttgarter Gesundheitsamts, in ihrem Grußwort zum Jubiläum. Als im Rotlichtviertel das Leonhardsbad frei wurde, in dem Stuttgarter mit Wohnungen ohne Bad oder Dusche ein Wannenbad nehmen konnten, zog die Anlaufstelle dort in den Keller. Den Namen La Strada (die Straße) gab ihr Fischer, weil sie den gleichnamigen Film von Frederico Fellini so symbolträchtig fand. Das Gesundheitsamt stellte mit Sabine Constabel eine Sozialarbeiterin und außerdem einen Mediziner für die Betreuung der Prostituierten ab.. „Am Eröffnungstag war der Kelleraum mit seinen zehn Plätzen so voll, dass die Frauen auf der Treppe sitzen mussten“, erinnert sich Constabel.

Gemeinsame Anlaufstelle für Frauen und Männer in der Prostitution

Als das Leonhardsbad zu klein wurde, fand sich 2010 mit Unterstützung der Stadt in der Jakobstraße ein neues Domizil – und zwar nicht nur für das Café La Strada, sondern auch für das Café Strichpunkt. Das hatte sich ein Jahr nach dem Café La Strada gegründet und ist Anlaufstelle für männliche Prostituierte, an Tagen, an denen das La Strada geschlossen hat. Träger beider Cafés ist der Caritasverband Stuttgart, der sie zusammen mit dem Gesundheitsamt, der Aids-Hilfe Stuttgart und dem Verein zur Förderung von Jugendlichen mit besonderen Schwierigkeiten auch betreibt.

Rund 40 Helfer engagieren sich ehrenamtlich im La Strada

Die Handvoll ehrenamtlicher Helferinnen ist mittlerweile auf rund 40 gestiegen. Und das Angebot hat sich erheblich erweitert. Außer einer medizinischen Betreuung gehören unter anderem Deutschkurse, Rechtsberatungen, psychologische Beratung, kostenlose Kondome, gebrauchte Kleidung und ein warmes Essen dazu.

„Die Beratung hab’ ich noch nie in Anspruch genommen“, sagt die Endsechzigerin – und nimmt in einer Plastikdose ihre Mahlzeit für den nächsten Tag mit. Aber sie findet dort immer jemanden, mit dem sie über alles Mögliche reden kann. Giorgia (26) sagt, sie habe den Ausstieg durch das La Strada geschafft. Nach der Entbindung will die schwangere Griechin in der Gastronomie arbeiten. Die Mitarbeiterinnen des La Strada werden ihr bei der Jobsuche helfen. Eine junge Frau aus Litauen will dagegen weiter anschaffen: Sie kommt einmal im Jahr für ein paar Wochen nach Stuttgart, um als Prostituierte das Familieneinkommen aufzubessern. Auf welche Weise sie in Stuttgart Geld verdient, davon habe ihre Familie keine Kenntnis, sagt sie.