In Waiblingen ließe sich die ein oder andere Ecke durchaus noch etwas aufhübschen. Foto: Gottfried Stoppel

Eine attraktive Innenstadt lockt Kunden an. Ein Haushaltsantrag in Waiblingen regt nun an, ein neues Instrument der Innenstadtentwicklung, Business Improvement Districts, zu fördern.

Waiblingen - Leerstände und weniger schöne Ecken gibt es in jeder Stadt – auch in Waiblingen. Ulrich Dilger ist vor zwei Jahren mit seiner Familie dorthin gezogen und sagt: „Die Altstadt hat mir gleich richtig gut gefallen.“ Deshalb beschäftigt ihn, der als Stadtplaner bei der Stadt Stuttgart arbeitet, auch die Frage, wie sich das „Herzstück Waiblingens“ stärken ließe, damit es mithalten kann im knallharten Konkurrenzkampf um die Kundschaft.

Eine Möglichkeit dazu sieht der 32-Jährige in einem Instrument, das die Regierung Anfang 2015 mit dem „Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative“ (GQP) geschaffen hat. Es ermöglicht Haus- und Grundstückseigentümern, sogenannte Business Improvement Districts (BID) als Instrument der Innenstadtentwicklung einzurichten (siehe „Eine Privatinitiative“).

Ulrich Dilger hat deshalb die Möglichkeit genutzt, die die Stadt Waiblingen Bürgern bietet – er hat einen Antrag zum Haushalt gestellt und angeregt, die Stadt solle das Interesse für solch eine BID-Initiative abfragen, für diese werben, und sie möglichst mit einer organisatorischen Starthilfe unterstützen. „Ich bin kein Experte für Einzelhandelsthemen, aber eine Innenstadt braucht Magnete wie ein Shoppingcenter“, sagt Dilger, der argumentiert, nach dem Auszug eines Geschäfts komme meist nichts hochwertigeres nach – im Gegenteil. Die Attraktivität nehme oft ab, es drohe eine „Trading-Down- Spirale“.

BdS sieht Sache grundsätzlich positiv

Der Vorsitzende des Bundes der Selbstständigen und Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rems-Murr, Ulrich Villinger, steht der Idee von Business Improvement Districts grundsätzlich positiv gegenüber: „Wir haben diese Idee im Vorstand noch nicht geprüft, ich könnte mir das aber schon vorstellen.“ Er sehe zwar eine Schwierigkeit darin, dass Eigentümer verpflichtet werden können, mitzumachen und zu zahlen. Trotzdem: „Wenn sich da eine Mehrheit der Eigentümer einig ist, dann ist das eine super Sache.“ Ein wenig städtische Anschubhilfe hält er ebenfalls für sinnvoll: „Die Stadt gibt ja auch für vieles andere Geld aus.“

„Wir Industrie- und Handelskammern haben lange dafür gekämpft, dass in Baden-Württemberg eine gesetzliche Grundlage für Business Improvement Districts geschaffen wird“, sagt Martin Eisenmann, der Ansprechpartner der IHK Region Stuttgart für diesen Bereich. Sie seien zwar kein Allheilmittel und das Ganze sei ein komplexes Verfahren. Dennoch verspricht sich Eisenmann einiges davon. Er rät zum Blick über die Landesgrenzen, etwa nach Hamburg, wo 2005 die erste BID gegründet wurde. „Wie es in Baden-Württemberg läuft, wird man erst in ein paar Jahren sagen können.“

Derzeit denke man in Stuttgart-Zuffenhausen und Kirchheim/Teck über einen BID nach, in Untertürkheim hat sich schon eine Gruppe von Eigentümern gefunden, die den Standort in Eigeninitiative attraktiver machen möchte. „Was die Privaten machen, muss on Top sein“, betont Martin Eisenmann: „Die Kommunen sind nicht aus der Pflicht, sie müssen weiter dafür sorgen, dass die Straße gereinigt wird und die Beleuchtung funktioniert.“

Auch Trittbrettfahrer müssen ran

Ob ein neuer Straßenbelag, ein Quartiersmanager, der sich kümmert, ob ein eigenes Logo oder eine Homepage für die Außendarstellung als Marke – die Dimensionen eines Projekts können ganz unterschiedlich sein, sagt Eisenmann. Beim „Riesenprojekt Nikolaiviertel“ in Hamburg seien neun Millionen Euro geflossen, in Waiblingen wäre es vermutlich mit einem Betrag im unteren sechsstelligen Bereich getan. Kurzfristig profitierten die Kunden, langfristig würden aber die Immobilienwerte steigen. Dass bei einem entsprechenden Quorum alle im Quartier mitmachen müssen, sei gut: „So kann man auch die Trittbrettfahrer verpflichten.“

Über Ulrich Dilgers Antrag berät an diesem Abend der Wirtschaftsausschuss. Die Verwaltung empfiehlt indes, den Antrag abzulehnen. Ein BID sei nicht notwendig, „da Stadt und Privatwirtschaft kontinuierlich in den Standort Innenstadt investieren und im Dialog“ seien. „Nennenswerte Ergebnisse und Effekte werden nicht erwartet.“

Eine Privatinitiative

BID
Ein Business Improvement District ist ein genau definierter Bereich in einer Stadt, etwa ein Quartier oder eine Straße. Dort schließen sich Grundeigentümer und Gewerbetreibende zusammen, um die Standortqualität auf eigene Faust und aus eigenen Mitteln zu verbessern.

Verfahren
Zunächst muss sich eine Quartiersgemeinschaft zusammenfinden. Sie kann ein BID beantragen, wenn mindestens 15 Prozent der Grundstückseigentümer mit 15 Prozent der Fläche im Aufwertungsgebiet zustimmen. Die Kommune prüft den Antrag, gegen den Widerspruch eingelegt werden kann. Stimmt ein Drittel aller Grundstückseigentümer im Gebiet dagegen, ist die Sache vom Tisch. Falls nicht, erlässt die Kommune eine Satzung und zieht von allen Eigentümern gemeinsam mit der Grundsteuer eine Sonderabgabe ein. Dabei gilt meist der Einheitswert einer Immobilie als Richtwert. Was mit dem Geld geschieht, legt die Gemeinschaft in einem Maßnahmen- und Finanzierungskonzept fest, das fünf Jahre gilt.