Eva Hosemann freut sich auf einen neuen theatralischen Lebensabschnitt Foto: Piechowski

15 Jahre lang hat Eva Hosemann das Stuttgarter Theater Rampe geleitet, jetzt ist sie Co-Intendantin der Burgfestspiele Jagsthausen an der Seite des neuen Intendanten Axel Schneider. An diesem Donnerstag ist die Premiere ihrer Inszenierung von „Die Päpstin“.

15 Jahre lang hat Eva Hosemann das Stuttgarter Theater Rampe geleitet, jetzt ist sie Co-Intendantin der Burgfestspiele Jagsthausen an der Seite des neuen Intendanten Axel Schneider. An diesem Donnerstag ist die Premiere ihrer Inszenierung von „Die Päpstin“.
 
Jagsthausen - Frau Hosemann, ob es diese Johanna tatsächlich gegeben hat und ob ihr Leben so verlaufen ist, wie es in dem Roman „Die Päpstin“ geschildert wird, ist historisch nicht definitiv belegt. Hat das Auswirkungen auf Ihre Inszenierung der Bühnenfassung?
Nein, es ist eine historische Figur, die seit Jahrhunderten in unseren Köpfen spukt. Und das heißt, dass uns diese Person beschäftigt, und das ist ausschlaggebend für meine Arbeit. Es gibt viele Personen und Dinge, die uns interessieren, obwohl deren Wirken wissenschaftlich nicht exakt belegt ist. Das betrifft auch das Jagsthausener Traditionsstück „Götz von Berlichingen“. Ihn hat es ja nun tatsächlich gegeben, aber nicht so, wie wir ihn hier erleben. Da hat ihm Goethe noch einiges zugedacht.
Und was ist so interessant am Leben dieser Johanna?
Sie lebt in einer historischen Zeit des Zusammenbruchs. Nach dem Tod von Karl dem Großen löst sich das große Heilige Römische Reich Deutscher Nation allmählich auf, indem es die Söhne und Enkel unter sich aufteilen. Im Grunde bricht hier eine Weltordnung zusammen. Gleichzeitig wird der Streit weitergeführt, wer der Vertreter Gottes auf der Erde ist: der Kaiser oder der Papst. In diesem Aufruhr kommt mit der Johanna eine im Grunde sehr moderne Figur ins Spiel, die alle Machtkämpfe ablehnt. Ihr geht es vor allem um Aufrichtigkeit, Respekt und Toleranz. Es ist ein sehr menschlicher und klarer Ansatz, mit dem sie der Kirchenlehre entgegentritt und daran scheitert. Das ist ein toller Stoff für eine Heldengeschichte.
Und was bedeutet das für uns?
Es werden Denkkonventionen aufgebrochen, es stellen sich wieder erneut Fragen. Weshalb Frauen etwa grundsätzlich weniger Wert haben in dieser Gesellschaft als Männer, warum Arme weniger wert sind als Reiche, warum Kranke ausgestoßen sind . . . – das sind grundlegende Fragen, die diese Johanna schon als Kind stellt und als Frau weiterverfolgt. Nur hat sie eben leider das Pech, dass sie in einer Zeit lebt, in der Frauen nichts zu sagen haben und nichts gelten, keinerlei Rechte haben. Es ist ihre Tragödie, dass sie sich als Mann verkleiden muss, damit sie ihren Weg gehen kann. Ihr persönliches Drama ist, dass sie nicht ganzheitlich leben und denken kann.
Siedeln Sie diese Geschichte in Ihrer Inszenierung eher in der Gegenwart oder in der Vergangenheit an?
Wir haben hier ja diese hinreißende Kulisse, in der wir uns sehr theatralisch und opulent in die Welt von Kirche, Kloster und Mittelalter begeben. Das macht viel Spaß mit Feuer, Farben, Live-Musik mit gregorianischen Gesängen und entsprechenden Kostümen. Man muss ja bedenken, dass die Bühnenfassung von Susanne Felicitas Wolf ein Gegenwartstext ist, der sehr szenisch geschrieben ist und ein hohes Tempo vorgibt. Und wir können dies hier wirklich umsetzen.
Also alles Dinge, die in den 15 Jahren Ihrer Intendanz am Stuttgarter Theater Rampe nicht möglich waren?
So ist es. Die Rampe ist ein geschlossener Theaterraum, der sehr vom Formalen lebt. Dieser Spielort in Jagsthausen lebt von der Opulenz. Und es macht mal wirklich viel Spaß, hier sich austoben zu können.
In welchem Verhältnis sehen Sie diese „Päpstin“ zum „Götz von Berlichingen“?
Für mich ist es das weibliche Gegenstück. Auch der Götz ist ein Handschlagmensch, der sich den politischen Strukturen verweigert, der nicht von oben regiert werden will. Es ist also sehr ähnlich, nur spielt dieser Götz eben in einer Ritter- und Männerwelt.
Denken Sie noch manchmal zurück an Ihre Zeit im Theater Rampe?
Ich wurde ja nicht hinausgeworfen, sondern habe selbst entschieden, die Intendanz in Stuttgart zu beenden. Die 15 Jahre waren eine wahnsinnig tolle Zeit. Wehmut kommt vor, aber ich bin auch froh für den neuen Blick und den neuen Abschnitt. Es lebt sich gut und macht viel Laune. Ich bin jetzt eher etwas vagabundierend, habe nicht mehr den Fixpunkt wie in Stuttgart, und auch das macht mir gerade sehr viel Spaß. Ich konnte in Berlin und Hamburg arbeiten, jetzt in Jagsthausen. Das ist etwas Besonderes, gerade in diesem Ort, der so eng verbunden ist mit diesen Burgfestspielen.
Mit dem neuen Intendanten Axel Schneider haben Sie in Jagsthausen ein neues Geschäftsmodell eingeführt, indem Sie wesentlich mehr Produktionen an die Jagst bringen, die sich schon an anderen Spielstätten bewährt haben. Wie kommt das an?
Es ist ein Mischmodell aus Eigenproduktionen und Produktionen, die hier für die Freilichtbühne adaptiert werden. Die Zuschauer kommen und freuen sich über die große Spannbreite von einer klassischen Komödie wie „Die Feuerzangenbowle“ bis zu einem sehr bewegenden Thema, das in „Ghetto Swinger“ behandelt wird. Und ein Gegenwartsstück wie „Fettes Schwein“ bringt viel junges Publikum. Schlechtes Wetter ist kein Thema in Jagsthausen: Es gab Aufführungen, da hat es quasi durchgenieselt, doch das Publikum ist eifrig drangeblieben. Das gilt auch für Kinderaufführungen.
Die Produktionen von außerhalb kommen ja vor allem vom Hamburger Altona-Theater und den Hamburger Kammerspielen, die ebenfalls von Axel Schneider geleitet werden. War denn da von Anfang an klar, dass diese auch in Jagsthausen gezeigt werden?
Teils, teils. Die Inszenierung der „Feuerzangenbowle“ durch Schneider ist schon 20 Jahre alt, hat sich auch schon an anderen Spielorten im Freien bewährt. Natürlich gibt es da immer wieder Umbesetzungen. Künftig gibt es auch einen Transfer nach Hamburg, „Die Päpstin“ etwa wird nach Jagsthausen in Hamburg gespielt.