Fallschirmjäger bei einer Übung über dem Flugplatz bei Renningen-Malmsheim, das Land hat einen Ersatzplatz für sie möglicherweise gefunden Foto: Andreas Gorr

Der Bau des Bosch-Forschungszentrums bei Renningen wäre einst um ein Haar am Veto der Bundeswehr gescheitert. Der fällige Ersatz für deren Flugplatz könnte wenige Kilometer entfernt liegen – wo die Uni Hohenheim heute neue Pflanzensorten testet.

Stuttgart/Renningen - Wer im nördlichen Kreis Böblingen lebt, ist den Anblick der Militärmaschinen am Himmel gewohnt. Die riesigen Flugzeuge namens Transall oder Hercules, die man lange nicht hört, obwohl sie wenige Hundert Meter über dem Boden fliegen, und die plötzlich extrem laut brummen, wenn sie abdrehen oder vorbeifliegen.

Die zweimotorige Transall der deutschen Bundeswehr und die viermotorige Hercules der US-Streitkräfte drehen immer dann über Leonberg in Richtung Westen ab, wenn sie Fallschirmspringer wie an einer Perlenschnur aufgereiht über dem Flugplatz in Renningen-Malmsheim abgesetzt haben. Das Gelände am Waldrand war 1936 von der Luftwaffe unter Reichsluftfahrtminister Hermann Göring enteignet und seitdem militärisch genutzt worden. Heute sieht man dort regelmäßig US-Fallschirmjäger aus den Patch Barracks in Stuttgart-Vaihingen zu Boden schweben, die vom Flughafen in Echterdingen starten. Manchmal flackern Leuchtfeuer auf der Graspiste oder der Betonlandebahn. Dann knallen riesige Nachschubcontainer auf den Grund, die an Fallschirmen aus den Großflugzeugen gelassen wurden – zu Übungszwecken. Immer wieder landeten Fallschirmspringer im Wald und mussten gesucht werden. An anderen Tagen üben in Malmsheim die Elite-Soldaten des Kommandos Spezialkräfte aus Calw.

2029 muss die Bundeswehr abziehen

Spätestens im Jahr 2029 muss mit alldem Schluss sein. Die Bundeswehr hatte bereits 2001 entschieden, den angrenzenden Mobilmachungsstützpunkt aufzugeben. 2008 gab es unter Vermittlung des Staatsministeriums von Ministerpräsident Günther Oettinger die grundsätzliche Übereinkunft, dass Bosch dort auf rund 40 Hektar ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für zunächst 1500 Mitarbeiter bauen kann. Es folgte eine Hängepartie, bis die Bundeswehr dem Unternehmen eine Option auf den knapp 55 Hektar großen Flugplatz nebenan einräumte. Nach einjährigen Verhandlungen verpflichtete sich das Militär zum Abzug spätestens 2029. Anstatt zum 125-Jahr-Firmenjubiläum 2011 wurde das Zentrum in diesem Jahr fertig. Kanzlerin Angela Merkel persönlich kam zur Eröffnung im Oktober.

Mittlerweile ist klar, dass das Land mit Hochdruck nach einem Ersatzgelände für die Streitkräfte sucht. Nach Informationen unserer Zeitung hat sie das agrarwissenschaftliche Versuchsgelände Ihinger Hof zwischen Renningen und Weil der Stadt fest im Blick – wenige Kilometer von Malmsheim entfernt. „Das Gelände ist im Gespräch als Ersatz für die Landebahn in Malmsheim“, bestätigt Thomas Kiwitt, Chefplaner des Verbands Region Stuttgart.

Ruchbar wurde das Ansinnen des Landes, dem das Uni-Gelände gehört, weil das Finanzministerium während der Grobplanung von Windkraftstandorten in der Region Stuttgart sein Veto gegen Windräder unweit vom Ihinger Hof einlegte. Das wurde in den Anlagen der gut 1000 Seiten Windkraftplanung sichtbar. „Wir haben ein transparentes Verfahren“, sagt Regionalplaner Thomas Kiwitt, „und listen alle Einwände auf.“ Der Ihinger Hof wird dort nur indirekt genannt.

Uni weiß von Bundeswehr-Plänen

In der Versuchsstation der Fakultät Agrarwissenschaften hat man das mitbekommen, wie ein Mitarbeiter unserer Zeitung bestätigt. Mehr will er nicht sagen. Florian Klebs, Pressesprecher der Universität Hohenheim, „kann bestätigen, dass die Uni darüber informiert ist, dass das Land auch bei uns einen Standort für die Bundeswehr sucht“. Klebs erweckt nicht den Eindruck, dass die Sache geritzt ist: „Wir wissen nicht, wie das ausgeht.“ Fakt sei, dass 30 Agrarprofessoren rund 230 Hektar Felder und Grünland beackerten, so Klebs, „und dass uns eine solche Fläche fehlen würde, aber wir sind vertrauensvoll, dass das Land eine Lösung finden würde“. Flugzeuge in der Nachbarschaft würden ihn weniger stören, „aber wir brauchen Flächen für unsere Pflanzen“, stellt Klebs klar.

Aus dem Finanzministerium, dem das Gelände formal gehört, gibt es keine Bestätigung in Sachen Ihinger Hof. Nachdem die Bundeswehr ihre Anforderungen formuliert habe, sagt Pressesprecherin Michaela Reiter, „wird jetzt geprüft, welche Standorte grundsätzlich in Betracht kommen“. Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Verteidigungsministeriums, der Bundeswehr und mehrerer Landesministerien hat sich gebildet, zu den Anforderungen gehört die Größe von rund 40 Hektar. „Die Prüfung wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagt Michaela Reiter, „konkrete Verhandlungen werden also noch nicht geführt.“ Planungsexperten sagen, dass der Ersatz in der Nähe der Patch Barracks und der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw liegen müsste. Der Ihinger Hof liegt ziemlich genau dazwischen.

Allzu lange soll die Suche nach Ersatz auch nicht dauern. Nach Informationen unserer Zeitung sind die Fallschirmspringer den Kränen während der Bauzeit des Bosch-Zentrums teilweise bedrohlich nahe gekommen. „Ich glaube nicht, dass der Abzug der Bundeswehr erst 2029 kommt“, sagt Regionalplaner Kiwitt.