Muss derzeit zeigen, was sie kann: Die Fregatte“Baden-Württemberg“ auf Erprobungsfahrt in der Nordsee. Foto: Marine

Große Rüstungsprojekte und pünktliche Lieferung – das geht in der Bundeswehr selten zusammen. Die Fregatte „Baden-Württemberg“ macht da keine Ausnahme. Und doch ist vieles anders.

Wilhelmshaven - Das Fiasko um das unbemannte Aufklärungsflugzeug Eurohawk oder der Streit zwischen Verteidigungsministerium und Hersteller um die Qualität des Sturmgewehrs G 36 haben viel Aufmerksamkeit auf eine Schwäche der Bundeswehr und ihrer Lieferanten in der Rüstungsindustrie gelenkt: Das Management großer Projekte bereitet ihnen Schwierigkeiten.

Die am 12. Dezember 2013 von Ministerpräsidenten-Gattin Gerlinde Kretschmann getaufte „Baden-Württemberg“ macht da keine Ausnahme. Sie ist das Typschiff der Fregatte 125, von der die Bundeswehr vier Einheiten zum Gesamtpreis von rund drei Milliarden Euro erhalten soll. Der jüngste Bericht des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten vom 9. September beziffert den Rückstand gegenüber der ursprünglich geplanten Übergabe an die Marine auf 30 Monate, die Kostensteigerung auf 912 Millionen Euro. Vorausgesetzt, die Marine kann die „Baden-Württemberg“ bis zum 31. Mai 2017 übernehmen.

Zeit- und Kostenpläne einzuhalten wird für große Waffensysteme immer schwieriger

Die Experten des Ministeriums führen nur 18 Prozent der Kostensteigerung auf nachträgliche Leistungsänderungen zurück. Das alles führt aus Sicht der Steuerzahler zu der Frage: Woher kommen diese Abweichungen?

Frühere Mitarbeiter des Ministeriums, die schon 2003 am ersten Anforderungsprofil für die neue Generation großer Überwasserkampfschiffe geschrieben haben, berichten: Damals sei die Marine sogar noch von einer Indienststellung des Typschiffs im Jahr 2009 ausgegangen. „Aber wir tun uns halt wahnsinnig schwer damit, Forderungen aus dem taktisch-operativen Bereich in ministerielle Forderungen und eine passgenaue Bereitstellung von Haushaltsmitteln umzusetzen“, sagt einer der damals Beteiligten.

Warum? Die Antwort beginnt mit der Entscheidung, was ein Waffensystem können soll. Im Fall F 125 hieß das: Da sich die Luftwaffe immer weiter aus dem Profil Seekrieg aus der Luft zurückzieht, wollte die Marine den Einsatz von Flugzeugen von der Fregatte aus koordinieren können. Schwimmender Kommandostand für Heeresverbände an Land, Unterstützungsschiff für den Einsatz von Kampfschwimmern – das und vieles mehr tauchte nach und nach auf den Anforderungslisten auf. „Die F 125 soll alles können, ist aber kein Mehrzweckschiff, weil es dann doch wieder mehr eine Fregatte sein soll“, seufzt einer, der an der Planung beteiligt war. Da mag vieles militärisch wünschenswert sein. Zeit- und Kostenpläne einzuhalten wird mit einem immer komplizierteren Leistungsprofil so großer Waffensysteme hingegen schwierig. Als der Bau schon begonnen war, fiel sogar die Entscheidung, die „Baden-Württemberg“ länger als ursprünglich geplant zu machen.

Im Militär mangelt es zuweilen an Ingenieur-Expertise

Noch viel länger sind die Dienstwege in einem solchen Projekt. Weil das Grundgesetz die Hoheit über die Rüstung der zivilen Bundeswehrverwaltung zuweist (heute ist operativ das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz, das BAAINBw, zuständig), aber das Militär die operativ-taktischen Anforderungen definiert. Weil die Entscheidungswege allein schon innerhalb des Verteidigungsministeriums lang sind. Auch weil es im Militär zuweilen an Ingenieur-Expertise, im BAAINBw an militärischem Wissen mangelt. Und weil die Industrie hin und wieder Leistungszusagen macht, die sie nicht oder nur zu erheblichen Mehrkosten einhalten kann. Vieles davon begleitet auch die Geschichte der „Baden-Württemberg“.

Derzeit sind es vor allem Anpassungen von Software für die Versorgung des Schiffs, in denen Potenzial für zusätzliche Verzögerungen steckt. Und Zeitverlust treibt die Kosten hoch. So steht bereits fest, dass die Marine zwei Fregatten der „Bremen“-Klasse (F 122) länger als geplant in Dienst halten muss, weil die „Baden-Württemberg“ zu spät kommt. Was wiederum die Planung von Personal und Ausbildung durcheinanderwirbelt. Das verursacht zusätzlichen Aufwand. Dasselbe gilt für den Weiterbetrieb der beiden überalterten Fregatten, da sie inzwischen besonders viel Wartung brauchen.

Dennoch ist nicht zu übersehen : Im Projekt F 125 läuft vieles besser als zum Beispiel bei den Transportflugzeugen oder den Hubschraubern, auf die die Bundeswehr seit Jahren wartet. Auch das hat Gründe.

Die ersten Härtetests liegen hinter dem Schiff

„Noch nie hatte die Marine mit einem derart komplizierten Rüstungsprojekt zu tun“, betont ihr Inspekteur, Vizeadmiral Andreas Krause. „Und wir können keinen Prototypen“ für solche Schiffe bauen.“ Auf acht beziehungsweise sechs Monate Zeitverlust allein durch eine vom Rumpf abplatzende Brandschutzfarbe und durch fehlerhafte Kabelzüge – beides wurde inzwischen nachgebessert – hat die Marine reagiert. Kapitän zur See Christoph Mecke, ein Diplomingenieur, pflegt als Sonderbeauftragter des Projekts F 125 die Drähte zu den Projektpartnern. „Das hat ein neues Maß an Transparenz gebracht. Industrie, BAAINBw und Marine steuern die Prozesse nun gemeinsam nach“, so Krause zu unserer Zeitung.

Das sei wegen der hohen Zahl der Beteiligten besonders wichtig. Auf Seiten der Industrie sind das im Fall der F 125 die Werften Thyssenkrupp Marine Systems und Lürssen sowie zahlreiche Unterauftragnehmer.

Ergebnisse dieser Transparenz? „Die Industrie hält die Vorgaben inzwischen punktgenau ein“, lobt Mecke. „Die ersten beiden der acht Besatzungen, die letztlich im Wechsel alle vier F 125 betreiben sollen, fahren seit Juli die „Baden-Württemberg“ in der Erprobung. Sie sind begeistert vom Gesamtkonzept, von der Funktionalität, von der Unterbringung und vom Seegangsverhalten“, lautet Krauses Zwischenbilanz.

Die ersten Härtetests liegen hinter dem Schiff: „Wir haben die Diesel richtig gequält“, schmunzelt Mecke. „Immer wieder aus voller Fahrt auf Stopp.“ Die „Baden-Württemberg“ verfügt über einen Diesel-Elektro-Gas-Antrieb, dessen Motoren und Turbinen maximal 41 000 Kilowatt liefern.

Am 5. Dezember gehen die Tests weiter. Mit dem sogenannten Funktionsschießen wird überprüft, ob die Leichtgeschütze, die schweren Maschinengewehre und die 127-Millimeter-Kanone einwandfrei funktionieren. Der Inspekteur der Marine strahlt große Zuversicht aus, dass der Zeitplan bis zur kompletten Übernahme des Schiffs „um die Mitte des kommenden Jahres“ hält. Danach soll die Einsatzprüfung durch die Marine folgen, der erste Einsatz voraussichtlich gegen Ende des Jahrzehnts.

Kommt es so, dann würde aus dem Bau der „Baden-Württemberg“ noch eine Erfolgsgeschichte. Zumindest gemessen an anderen Rüstungsgroßprojekten der Bundeswehr – und auch vieler anderer Armeen in der Nato.