Deutschlands höchste Richter lehnen einfachere Klagemöglichkeiten für die parlamentarische Opposition ab. Foto: dpa

Mit Hilfe der Verfassungsrichter wollte die Linkspartei die Klagerechte der Oppositionsfraktionen stärken. Der Versuch ist gescheitert. Die Karlsruher Richter halten die im Grundgesetz verankerten Bedingungen dafür hoch.

Berlin - Eine Prise Sarkasmus wollte sich Michael Grosse-Brömer, der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, bei der Reaktion auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verkneifen. „Die Linke kann sich nun auf die Sacharbeit der Opposition konzentrieren und nicht länger über mangelnde Rechte als Opposition beschweren“, befand der CDU-Politiker süffisant gegenüber unserer Zeitung. „Das Bundesverfassungsgericht hat heute bestätigt, dass die Minderheitenrechte der Opposition schon zu Beginn der Legislaturperiode umfangreich und verfassungsgemäß ausgestaltet wurden.“

Auch SPD und Grüne sehen ihre Rechtsauffassung durch den Richterspruch bestätigt. Grosse-Brömers Süffisanz zielt allerdings nicht auf die Richter, sondern auf den früheren Linksfraktionschefs Gregor Gysi, der die Niederlage in Karlsruhe forsch in einen halben Sieg umdeutete. Gysi räumte zwar ein, dass die Richter das Ansinnen der Linkspartei abgelehnt haben, die im Grundgesetz verankerten Quoren für Normenkontrollverfahren und andere Kontrollrechte zu senken. „Gewonnen hat die Linke dennoch“, fügte Gysi hinzu. Dass eine Oppositionsfraktion Gesetze auch in einem Organstreitverfahren überprüfen lassen könne, sei höchstrichterlich noch nie so klar dargestellt worden.

Gysi deutet Niederlange in halben Sieg um

Mit dieser Interpretation steht Gysi alleine da. In einer sehr grundsätzlichen Argumentation wies das Verfassungsgericht die Anträge der Linken zurück, die Quoren im Grundgesetz zu senken. „Das Grundgesetz begründet jedoch weder explizit spezifische Oppositions(fraktions)rechte, noch lässt sich ein Gebot der Schaffung solcher Rechte daraus ableiten“, heißt es in dem Urteil. Das gelte auch angesichts der Kräfteverhältnisse in einer großen Koalition.

Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass Grüne und Linke 127 der 630 Abgeordneten des aktuellen Bundestags stellen. Damit sind sie selbst vereint zu schwach, um gegen die große Koalition die im Grundgesetz verankerten Minderheitenrechte wahrzunehmen, für die ein Viertel der Abgeordneten nötig ist. Freiwillig hat der Bundestag sich für die laufende Legislaturperiode verpflichtet, das Quorum für die Einberufung von Untersuchungsausschüssen auf 120 Stimmen zu senken. Die Linke wollte eine Senkung der Quoren in der Verfassung erzwingen.

Karlsruhe sieht Oppositionsfraktionen nicht als Träger von Minderheitenrechten

Das Gericht sieht den verfassungsrechtlichen Schutz der Opposition dagegen in der „Gewährleistung einer realisitischen Chance der parlamentarischen Minderheit, zur Mehrheit zu werden“. Das Grundgesetz beschränke die parlamentarischen Minderheitenrechte nicht auf oppositionelle Akteure wie die Oppositionsfraktionen. Deren Rechte zu stärken, würde die Rechte der anderen Abgeordneten schmälern.

„Die Linksfraktion hat dem Bundesverfassungsgericht keine Wahl gelassen“, erklärte Britta Haßelmann von den Grünen. Sie appellierte an Union und SPD, „sich bis zum Ende dieser Wahlperiode unabhängig vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts an unsere gemeinsam vereinbarten Minderheitenrechte zu halten“.