Minister Nils Schmid fand persönliche Töne bei der Ehrung von Martin Klumpp Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Ehrungen, vom Staat verliehen und mit dem Symbol des Kreuzes versehen, weckten in Martin Klumpp, Prälat i. R., lange Argwohn und schlimme Erinnerungen an die NS-Zeit. Als ihm Minister Nils Schmid das Bundesverdienstkreuz angeheftet hat, haben Schmids kluge, warmherzige und persönliche Worte den Geehrten mit dem Akt versöhnt.

Stuttgart - Dekan – Prälat – Bischof? Die Karriere wäre Martin Klumpp wohl zuzutrauen gewesen. Allein, er hat’s nicht auf das höchste Amt der Evangelischen Landeskirche angelegt. „Ich denke nicht in solchen Stationen“, sagte er einst. Vielmehr treiben ihn Verständigung, Trauer und Seelsorge um. Nun ist der 74-Jährige mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden.

„Zuerst dachte ich: Eine Auszeichnung für mich ist komisch. Dann: Ha, ’s isch scho recht. Und als schließlich so viele Menschen mit mir feierten, da habe ich mich doch richtig gefreut“, erzählt Martin Klumpp. Insbesondere darüber, dass seine Geschwister, seine Ehefrau, die drei Kinder und Enkel alle daran Anteil nahmen.

Eigentlich ist es für den Geehrten ein Kreuz mit dem Kreuz. Davon erzählte er bei der Feier im Neuen Schloss. Geboren wurde er unterm Hakenkreuz. Die Mutter erhielt das Mutterkreuz vom Führer, doch sie habe es zurückgeschickt mit einem Zettel und der Zeile: „Ich habe meine Kinder nicht für den Führer geboren.“ Das erfülle ihn mit Stolz, so Martin Klumpp.

Schicksalhaft schließlich die Erkenntnis, dass der Vater zweier Mitschüler im KZ Treblinka Beweise für den systematischen Massenmord an Juden sammelte, rausschmuggelte und sie über Schweden und die Katholische Kirche öffentlich machen wollte. Er wurde im Namen der Diplomatie totgeschwiegen. „Es ist ein Trauma, das bis heute wirkt“, sagt Martin Klumpp. Darauf gründet seine Maxime, dass sich jeder engagieren muss, der denken, lesen und schreiben kann.

Den Anspruch löste Martin Klumpp als junger Pfarrer in einer großen Arbeitergemeinde in Sindelfingen ein, 1986 wird er Dekan für 27 Kirchengemeinden im Bezirk Stuttgart-Mitte, mit 57 Jahren Prälat von Stuttgart und beerbt dabei den in den Ruhestand wechselnden und streng pietistisch ausgerichteten Prälat Röckle. Er baut den Hospitalhof zu einer nicht mehr wegzudenkenden Bildungseinrichtung auf, knüpft ein starkes Netz in der Sterbebegleitung und Hospizarbeit, er bemüht sich im Deutsch-Türkischen Forum um Verständigung und hält evangelisch-theologische Seminare.

Beim Spendensammeln für das neue Kinderhospiz ist Klumpp so hartnäckig wie ausdauernd unterwegs und kann sich doch immer wieder in grundsätzliche theologische Fragen versenken oder sich der Stiftsmusik und der Bachakademie widmen. Vielen ist Martin Klumpp außerdem ein verlässlicher, kluger und ermunternder Begleiter in der Trauer. Sein Credo nach jahrzehntelanger Erfahrung: Trauer wird durch Trauer besser, lasse deine Gefühle zu, besinne dich auf dich selbst.

Letzteres muss man ihm nicht zweimal sagen: Martin Klumpp fährt jetzt erst mal für drei Tage in den Schwarzwald, zum Arbeiten, zum Wandern. Danach feiert er seinen 75. Geburtstag.