Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht am Wahlabend bei einer Wahlparty der Grünen in der Kneipe Schlesinger in Stuttgart. Foto: dpa

Die grün-schwarze Koalition im Südwesten könnte treibende Kraft für ein Bündnis mit der FDP nach der Bundestagswahl in Berlin werden. So sieht es auch ein Politologe. In Stuttgart kommen die Südwest-Parteien zu womöglich richtungsweisenden Sitzungen zusammen.

Stuttgart - Die Vorstände und Präsidien der Südwest-Parteien wollen an diesem Montag über die Ergebnisse und Folgen der Bundestagswahl beraten. Dabei dürfte es auch um Chancen für ein mögliches Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen gehen. Bei den Gesprächen über eine Jamaika-Koalition wird Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach Auffassung des Konstanzer Politologen Wolfgang Seibel eine Schlüsselrolle spielen.

Aus Sicht der CDU sei Kretschmann der Wunsch-Verhandlungspartner, sagte Seibel der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Der einzige grüne Ministerpräsident bringe die nötige Erfahrung, Gelassenheit und Empathie mit. „Er kann als undogmatischer pragmatischer Politiker Brücken zu den Unionsparteien schlagen.“

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Die Chemie stimme sowohl zwischen Kretschmann und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch zwischen ihm und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Er neige auch nicht dazu, andere Politiker vorzuführen, etwa von der von Verlusten gebeutelten CDU.

Diskussionen über das schlechte Abschneiden der CDU

Die FDP wiederum könne in den voraussichtlichen Gesprächen über ein Dreier-Bündnis am ehesten mit dem Regierungschef aus Stuttgart und seinen Positionen leben, meinte Seibel. Es gebe Überlappungen in der Industrie- und Automobilpolitik. Bei Fahrverboten und der Laufzeit von Verbrennungsmotoren sei der Grüne der FDP nahe. Für „Jamaika“ sieht er als größtes Risiko die Mitgliederabstimmung der Grünen.

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Weitere Diskussionen dürfte es auch über das schlechte Abschneiden der CDU geben. Nach Ansicht von CDU-Landeschef Thomas Strobl haben die deutlichen Verluste seiner Partei in Baden-Württemberg nichts mit der grün-schwarzen Regierungsarbeit zu tun. „Mein Eindruck während des Wahlkampfes ist gewesen, dass die Regierungsarbeit von den Bürgern sehr geschätzt wird. Insofern denke ich, dass diese stabile Regierung in Baden-Württemberg jedenfalls das Bundestagswahlergebnis nicht negativ beeinflusst hat“, sagte Strobl, der auch Vizeregierungschef ist, der Deutschen Presse-Agentur.

So hat Baden-Württemberg bei der Bundestagswahl gewählt.

Hingegen hatte FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke gemeint, die Südwest-CDU habe die Quittungen der Bürger für ihre seiner Ansicht nach schwache Leistung in Baden-Württemberg bekommen.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte die Südwest-CDU bei der Bundestagswahl 34,4 Prozent. Nach einer Mitteilung der Landeswahlleitung verlor sie 11,3 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2013, bei der sie 45,7 Prozent erreicht hatte. Die Partei holte wie vor vier Jahren alle Direktmandate.

Die Gründe für die Verluste beim Zweitstimmenergebnis seien eher solche, die die CDU in ganz Deutschland betreffe, meinte Strobl. In den letzten Wochen vor der Wahl sei sehr viel über die Alternative für Deutschland (AfD) und die Themen Flüchtlinge und Migration gesprochen worden. „Ich denke, dass das schon Auswirkungen hat.“

Die große Koalition in Berlin habe keine schlechte Arbeit gemacht. Die Menschen hätten aber offensichtlich den Eindruck gehabt, dass ihre Nöte und Ängste nicht ernst genommen würden - auch in der Flüchtlingspolitik. „Wir müssen daran arbeiten, dass die CDU in Fragen der Migration, der Sicherheit und der Terrorbekämpfung ein klares Profil hat“, meinte Strobl, der auch CDU-Bundesvize ist.

Die Südwest-SPD wurde - ebenfalls mit deutlichen Verlusten - zweistärkste Kraft mit 16,4 Prozent der Stimmen. Grüne (13,5 Prozent), FDP (12,7 Prozent) und AfD (12,2 Prozent) verzeichneten jeweils Zugewinne. Die Wahlbeteiligung stieg um 4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2013 auf 78,3 Prozent.