Roland Sauer vertrat Stuttgart bis 1998 im Bundestag. Er ist jetzt 78 Jahre alt. Foto: STZN

Der frühere Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Roland Sauer (CDU) ist sich sicher: Mehr Abgeordnete für Stuttgart bringen der Stadt nicht unbedingt größeren Nutzen, wenn es zum Beispiel darum geht, für Stuttgart Zuschüsse zu erkämpfen.

Stuttgart -

Herr Sauer, aus Stuttgart ziehen mehr Abgeordnete in den nächsten Bundestag ein als 2013. Hat die Stadt davon automatisch größeren Nutzen?
So könnte man denken, wenn man annimmt, dass die Stuttgarter zusammenarbeiten und sich um ihren Wahlkreis kümmern. Tatsächlich wird der Ertrag meines Erachtens nicht viel größer sein. Manche der künftigen Abgeordneten habe keinerlei politische Erfahrung. Der Bundestag ist auch kein Gemeinderat. Da sitzen nicht laufend Leute aus der derselben Stadt zusammen und schmieden Pläne. Abgeordnete von Koalitionsfraktionen könnten sicher mal zusammenarbeiten, wenn es um Nahverkehr oder Straßenbau geht, aber da gibt es wieder thematisch-ideologische Hürden.
Manche wollen vielleicht auch nicht laufend Zuschüsse holen, was Ihnen so wichtig war. Denen geht es ums große Ganze.
Man muss sich entscheiden, ob man große Politik machen oder sich um seinen Wahlkreis kümmern will. Mir war Letzteres sehr wichtig. Beim öffentlichen Nahverkehr, beim Straßenbau und bei Hochschulbauten kann man viel erreichen. Die SPD sah es in meiner Zeit aber manchmal auch anders. Gerade beim Straßenbau setzte sie öfters ihre ideologischen Scheuklappen auf.
Ein Neuling muss zunächst auch viel lernen?
Ganz sicher. Meist muss sich ein Neuer hochdienen, bevor er in den Ausschuss seiner Wahl entsandt wird. Wenn man erstmals in einem Ausschuss ist, wird man zugedeckt mit Arbeit. Wer keinen Draht zu Ministern oder Staatssekretären hat, kann sich im Bundestag ohnehin kaum mit seinem Anliegen durchsetzen. Das gelingt in der Regel eher Mitgliedern von Regierungsfraktionen.
Glauben Sie, dass das Abgeordneten-Dasein heute ganz anders ist als zu Ihrer Zeit, 1980 bis 1998?
Entscheidend verändert haben sich die gesamte Telekommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit. Die Arbeitsstruktur und die Abläufe in den Sitzungswochen sind noch ziemlich gleich.
Der Bundestag ist heute auch viel größer.
Das rührt vor allem daher, dass man im Jahr 2013 neben den Überhangmandaten noch Ausgleichsmandate eingeführt hat, damit der Bundestag auch dann die Zweitstimmenanteile der Parteien richtig widerspiegelt, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr insgesamt Mandate zustünden. Dass es mehr Parteien gibt und dass die Stimmenprozente der großen Partei schrumpfen, hat die Vergrößerung des Bundestags auch begünstigt.
Wie wirkt sich diese Entwicklung aus?
Der Aufwand für künftig vielleicht einmal über 700 Abgeordnete wird von gut 400 auf über 500 Millionen Euro steigen. Die Debatten werden endlos sein. Ich bedauere, dass die Parteien nicht dem Vorschlag des scheidenden Bundestagspräsidenten Norbert Lammert folgten, bei 630 Mandaten eine Grenze zu ziehen.