Am 24. September entscheiden die Böblinger Bürger, welcher Kandidat in den Bundestag einzieht. Foto: dpa

Clemens Binninger von der CDU und Linken-Politiker Richard Pitterle räumen ihre Berliner Büros – der erste freiwillig, der letzte unfreiwillig. Drei Kandidaten aus dem Kreis haben beste Chancen, in den Bundestag gewählt zu werden.

Böblingen - Im Kreis Böblingen scheint der Wahlausgang vorherbestimmt – jedenfalls in weiten Teilen. Nur ein einziges Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Christdemokraten nicht das Direktmandat gewonnen. Das war 1972, als die Mehrzahl der Wähler sich für den SPD-Kandidaten Hans Geiger entschied. Seit 2002 sitzt für die Böblinger CDU ununterbrochen Clemens Binninger im Bundestag. Er hat auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Sein Nachfolger, der 38-jährige Marc Biadacz, dürfte auch als Neuling seinen Sitz in Berlin sicher haben. Über die Landesliste ist er nicht abgesichert.

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Binninger hatte im Landkreis einen klaren Beliebtheitsvorsprung gegenüber seiner Partei: 54,5 Prozent der Wähler gaben ihm vor vier Jahren ihre Erststimme – die CDU kam bei den Zweitstimmen kreisweit auf 46,9 Prozent, ein Ergebnis, das immer noch gut fünf Prozent über dem Bundesergebnis lag. Darauf baut Biadacz, und gemessen an der Wahl 2013 hat er keine Konkurrenz um das Direktmandat zu fürchten. Die SPD schnitt mit ihren damals 20 Prozent im Kreis deutlich schlechter ab als deutschlandweit. Nebenbei erwiesen sich die Kreisbewohner als deutlich interessierter an der Bundespolitik als der Durchschnittsdeutsche. 77,4 Prozent von ihnen kamen in die Wahlkabinen. Bundesweit lag die Wahlbeteiligung bei 71,5 Prozent.

FDP scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde

Mit einiger Sicherheit wird Biadacz gemeinsam mit dem Liberalen Florian Toncar im Bundestag sitzen. Gemessen an den Umfragen, ist auch dem pragmatischen 37-Jährigen mit dem Platz fünf auf der Landesliste sein Sitz in Berlin sicher. Sofern die FDP die Fünf-Prozent-Hürde überwindet, wird Toncar an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren. Er war im Alter von 26 Jahren erstmals in den Bundestag gewählt worden und schied 2013 nach zwei Legislaturperioden zusammen mit seiner Partei aus. Die FDP scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Im Kreis Böblingen hätte sie den Wiedereinzug ins Parlament geschafft. Lokal bekamen die Liberalen 7,1 Prozent der Zweitstimmen. Toncars Erststimmenergebnis war nur knapp halb so hoch.

Aller Voraussicht nach wird auch ein AfD-Mann künftig den Kreis in Berlin vertreten: Markus Frohnmaier. Sein Name steht auf Platz vier der Landesliste. Schafft seine Partei am 24. September den Einzug ins Parlament, wird auch er Bundestagsabgeordneter. Der 26-Jährige gilt innerhalb der AfD als Hoffnungsträger. Die Parteichefin Frauke Petry hatte ihn zu ihrem Sprecher ernannt. Inzwischen spricht Frohnmaier im Namen der Spitzenkandidatin Alice Weidel. 2013 hatte die AfD im Kreis noch keinen Kandidaten.

Pitterle wird sein Büro in Berlin räumen müssen

Frohnmaiers vorhersehbarer Erfolg schmerzt vor allem Richard Pitterle. Der Linke hatte sich schon in seiner Jugend in Organisationen engagiert, die gegen Nationalismus kämpfen. Pitterle war in den vergangenen zwei Legislaturperioden über die Landesliste ins Parlament gewählt worden. Im Kreis hätten die Linken keine Chance gehabt. 4,4 Prozent der Wähler entschieden sich für sie, bundesweit waren es knapp doppelt so viele. Ganz gleich, wie viele Kreuze nach dem Wahlsonntag zu Gunsten der Linken gezählt werden – Pitterle wird sein Büro in Berlin räumen müssen. Sein bisher sicherer Listenplatz fiel parteiinternen Flügelkämpfen zum Oper. Trotzdem macht er treu Wahlkampf für seine Partei. Nach dem 24. September wird er in seinen Beruf als Jurist zurückkehren.

Die Sozialdemokratin Jasmina Hostertund der Grüne Tobias Bacherle werben derzeit ebenfalls mehr für ihre Parteien als für sich selbst. Beide kandidieren erstmals. Beide dürften keine Chance haben, über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen. Hostert, die einst als Kind einer Flüchtlingsfamilie nach Deutschland kam, steht auf Platz 25. Bacherle ist mit 22 Jahren der Jüngste in der Kandidatenrunde. Sein Name ist auf Platz 18 vermerkt. 2013 reichte bei der SPD Platz 20 eben noch zum Wahlerfolg. Bei den Grünen war es Platz zehn.

Weissach zählt zu Ludwigsburg

Hosterts Vorgänger Joachim Rücker wollten vor vier Jahren 23,7 Prozent der Wähler im Kreis im Parlament sehen. Damit schnitt er bei den Erststimmen deutlich besser ab als die SPD bei den Zweitstimmen. Beim Grünen Sven Reisch war es umgekehrt. Ungeachtet dessen war 2013 die Öko-Partei im Kreis mit 10,4 Prozent der Zweitstimmen deutlich beliebter als deutschlandweit.

Und noch etwas ist neu bei dieser Bundestagswahl: Wurden die Stimmen der Bürger von Weissach bisher zum Wahlkreis Böblingen gezählt, gehören sie in diesem Jahr zum Wahlkreis Ludwigsburg. Wie zuletzt schon zählen die Gemeinden Steinenbronn und Waldenbuch wieder zum Wahlkreis 262 Nürtingen. Im Wahlkreis 260 Böblingen gehen die Bürger also in 23 Kreiskommunen an die Urnen. 265 000 Stimmzettel wurden gedruckt.