Die Neonazi-Szene organisiert sich in Dortmund in der Kleinpartei „Die Rechte“. Propagandamaterial aus Dortmund ist nun in Stuttgart aufgetaucht. Foto: dpa

In Stuttgart-Möhringen wurden CDU-Plakate beschädigt, in Stuttgart-Plieningen sind Sticker auf Wahlwerbung der Grünen aufgetaucht. Die Aufkleber hängen mit Rechtsextremisten in Nordrhein-Westfalen zusammen. Gibt es örtliche Sympathisanten?

Filder - Es war eine vergebliche Liebesmühe für diejenigen, die jüngst Wahlplakate der Grünen an der Filderhauptstraße aufgehängt haben. „Am nächsten Tag lagen sie alle auf dem Boden“, sagt die Vorsitzende des Ortsverbands Birkach-Plieningen, Birgit Popp-Kreckel. Die enttäuschten Helfer hätten an den herabgerissenen Schildern eine Entdeckung gemacht, erzählt sie. „Da waren Aufkleber dran, auf denen ,Gender mich nicht voll’ stand, sagt die Ortsvorsitzende.

Popp-Kreckel vermutet eine konzertierte Aktion gegen ihre Partei, wird sie doch mit der von Kritikern als Gleichmacherei unter den Geschlechtern kritisierten Genderpolitik identifiziert. Die Grünen haben wegen des Verlusts an Wahlmaterial bisher nicht die Polizei eingeschaltet. Obwohl zur gleichen Zeit Plakate in Birkach verschwunden seien, wolle die Partei abwarten, wie sich die Dinge in den kommenden Wochen weiter entwickeln, sagt sie. Sie erschreckt, was der Plieninger Grüne Thomas Plagemann über die Aufkleber herausgefunden hat. Der Bezirksbeirat habe im Internet recherchiert, wo sich Aufkleber mit der antifeministischen Parole erwerben lassen. Die Sticker werden auf einer bestimmten Internetseite verkauft. „Was da noch zu finden ist, von dem wird einem schlecht“, sagt Popp-Kreckel. Wer die Homepage öffnet, findet eine professionell gemachte Seite vor. Einige der beworbenen Aufkleber und Plakate wenden sich gegen den Kapitalismus und erinnern im Stil an die extrem linke Szene. Andere Propagandamittel sprechen sich gegen Flüchtlinge und Muslime aus – und immer wieder gegen den Staat Israel. Ein Reichsadler kann auf einem Aufkleber etwa in den Farben der palästinensischen Nationalbewegung erworben werden.

Die Grünen wollen Entwicklung abwarten

Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg kann zu der Internetseite nichts sagen, da sie ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen hat. Ihren Kollegen in Düsseldorf verweisen auf die Dortmunder Polizei. Sie kennen den Betreiber nur zu gut. Er sei ein führender Kopf der neonazistischen Kleinpartei „Die Rechte“, sagt ein Polizeisprecher. Die Gruppierung machte bundesweit Schlagzeilen, als sie nach Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2014 gewaltsam eine Wahlparty im Dortmunder Rathaus sprengte. Der Rechtsextremist habe offenbar ein paar Gesinnungsgenossen in Stuttgart, sagt der Sprecher der Dortmunder Polizei.

Ungeliebte politische Botschaften fanden sich auch auf Wahlplakaten der Möhringer CDU, klagt der Ortsvorsitzende Matthias Scheible. CDU-Plakate hätten nur ein Wochenende in Teilen Möhringens gehangen, sagt Scheible. „Am Montag lagen sie schon auf dem Boden, und zwar mit AfD-Aufklebern“, sagt Scheible. Auch den Möhringer Grünen sei Ähnliches geschehen, sagt er.

Scheible glaubt dennoch nicht, dass die beiden Parteien im Wahlkampf besonders mit Sachbeschädigungen rechnen müssten, weil Kritiker der Flüchtlingspolitik sich an ihnen reiben könnten. „Ich glaube, dass Stuttgart 21 mehr polarisiert hat als die Flüchtlinge“, meint Scheible. Insgesamt seien die Sachbeschädigungen an Plakaten auch im Rahmen des Üblichen, fügt der CDU-Politiker hinzu.

AfD bestreitet Verantwortung

Wolfgang Röhl ist bei der Stuttgarter AfD für den Wahlkampf zuständig. Er könne zwar nicht seine Hand ins Feuer legen, dass „Spinner“ Aufkleber seiner Partei an den Plakaten der Konkurrenz anbringe, mit der AfD habe das gleichwohl nichts zu tun. „Wir haben noch gar keine Plakate aufgehängt oder Aufkleber verteilt.“ Beschädigungen von Wahlwerbung politischer Parteien seien immer abzulehnen, betont Röhl. „Wir müssen in der Hinsicht ja am meisten leiden.“

In Degerloch ärgert sich der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Wilfried Seuberth, derweil über das Verhalten der als linksradikal eingestuften Kleinpartei MLPD. Er kritisiert, dass die Marxisten-Leninisten ihre Plakate über diejenigen der anderen Parteien hängen würden. „Die rutschen dann auf den Boden“, sagt er. Lukas Weißert von der MLPD betont dagegen, dass sich seine Partei strikt an die Auflagen halte – anders als andere Parteien, die auch an Verkehrsschildern plakatieren würden. „Ich finde, wir sind ganz bescheiden“, meint Weißert.