Autobahnen gehören dem Bund, werden bisher aber vom Land verwaltet Foto: dpa

Eine Experten-Kommission empfiehlt dem Bund, eine Bundesfernstraßengesellschaft zu gründen. Das würde nicht nur zu Privatisierungen von Teilen des Straßennetzes führen, sondern den Handlungsspielraum der Länder gravierend schmälern. Die wehren sich gegen die Pläne.

Stuttgart - Grundsätzlich ist für Autobahnen und Bundesstraßen der Bund zuständig: Er gibt das Geld für Aus- und Neubaumaßnahmen und bestimmt deren Reihenfolge. Allerdings verfügt der Bund bisher nicht über eine eigene Verwaltung für seine Straßen – er hat deshalb Planung, Bau und Betrieb an die Länder übertragen.

Das allerdings will die Bundesregierung jetzt ändern und tüftelt an einer Bundesfernstraßenverwaltung, für die sogar eine Änderung des Grundgesetzes nötig wäre. Ursache für die Überlegungen in Berlin ist die sogenannte Fratzscher-Kommission, eine von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzte Kommisssion mit hochrangigen Experten. Die soll den Investitionsstau von rund 100 Milliarden Euro im Bund auflösen, indem sich Bürger stärker an der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte beteiligen. Dazu gehört auch die Privatisierung des Bundesfernstraßennetzes.

Die Idee hat die Gewerkschaften auf den Plan gerufen: Bundesweit sollen dann rund 18 000 Stellen in den Straßenbauverwaltungen gefährdet sein. Aber auch die Länder haben sich schon festgelegt. Sie lehnen die Pläne rundweg ab. Die Verkehrsministerkonferenz warnt derweil vor „vorschnellen Entscheidungen“. Die Verkehrsminister – unter ihnen auch Winfried Hermann (Grüne) aus Baden-Württemberg – sind Anfang Oktober von dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig darüber informiert worden, dass der Bund zumindest eine Gesellschaft für die Autobahnen aufbauen wolle.

Grüne sehen erhebliche Nachteile fürs Land

Verkehrsexperten im Land sind wenig begeistert von der Idee. Andreas Schwarz, Fraktionsvize der Grünen im Landtag, befürchtet eine „ineffiziente Mammutbehörde von Flensburg bis Lindau und Zittau“. Wenn ein so großes Gebiet zentral verwaltet werde, fehle automatisch die Ortskenntnis: „Eine solche Behörde ist nicht leistungsfähig.“ Bestes Beispiel dafür ist aus Schwarz’ Sicht die Wasser- und Schifffahrtsbehörde des Bundes: „Dort funktioniert weder der Betrieb noch der Ausbau der Schleusen.“

Schwarz befürchtet erhebliche Nachteile für Baden-Württemberg, wenn das Land Planung, Bau und Betrieb der Fernstraßen aus der Hand geben müsste. Die grün-rote Regierung hat eine Priorisierung der anstehenden Ausbauvorhaben eingeführt und liefert sie dem Bundesverkehrsministerium mit der Liste der baureifen Projekte mit. Diese Einschätzung werde, wie Verkehrsminister Hermann mehrfach versichert hat, im Bundesverkehrsministerium begrüßt. In den meisten Fällen ist die Bundesbehörde dann auch der vom Land vorgeschlagenen zeitlichen Abfolge der Projekte gefolgt.

„Wenn nur noch der Bund zuständig ist, haben wir keinen Einfluss mehr“ fürchtet Schwarz. Solange die Verwaltung noch beim Land liege, seien zielgerichtetere Reaktionen möglich. Um flexibel zu sein, hat das Land auch die Mittel für die Zwischenfinanzierung von Bundesfernstraßen, die sogenannten Swing-Mittel, um 40 auf 100 Millionen Euro angehoben. „Damit haben wir für Baden-Württemberg die notwendige Flexibilität geschaffen, um Baumaßnahmen vorzufinanzieren, sollte der Bund mehr Mittel zur Verfügung stellen und mehr Baufreigaben erteilen als ursprünglich zugesagt“, sagt Andreas Schwarz.

Auch CDU will Auftragsverwaltung fortsetzen

„Wir müssen zu einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückkommen, ohne die bestehende Auftragsverwaltung der Länder für die Bundesfernstraßen zu beenden“, sagt die Verkehrsexpertin der CDU-Landtagsfraktion, Nicole Razavi. Mit einer Bundesfernstraßengesellschaft auf Bundesebene wäre die Auftragsverwaltung durch die Länder jedoch faktisch abgeschafft.

„Die Landesregierung muss sich für den Fortbestand der Auftragsverwaltung der Länder für die Autobahnen und Bundesstraßen im Bundesrat einsetzen“, fordert Razavi. Um die Zusammenarbeit bei der Verwaltung der Bundesfernstraßen zu verbessern, müsse aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion eine Bund-Länder-Kommission eingesetzt werden, die Schnittstellenprobleme zwischen Bund und Ländern beheben und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten solle.

Zu den möglichen Auswirkungen einer Bundesfernstraßengesellschaft hat Baden-Württembergs Verkehrsminister Hermann ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es bestätigt die Bedenken im Land und empfiehlt Verbesserungen im bestehenden System.

Notfalls will das Land die Bundesstraßen ganz übernehmen

Das Land will sich insbesondere gegen eine stufenweise Verschiebung der Verwaltung wehren, weil es damit zu Doppelstrukturen komme und die Länder womöglich mehrfach umstrukturieren müssten. Baden-Württemberg will vielmehr notfalls mit dem Vorschlag in die Offensive gehen, dass alle Bundesstraßen in die Zuständigkeit der Länder überführt werden und der Bund dafür einen Finanzausgleich zahlt. Sollte auch dieser Vorschlag nicht greifen, wollen die Länder wenigstens sicherstellen, dass sämtliche Kosten, die den Ländern entstehen, abgegolten werden. Auch werden jegliche Privatisierungsmodelle abgelehnt, damit die Investitionsentscheidungen in öffentlicher Hand bleiben.

Derzeit ist unklar, wie intensiv der Bund seine Pläne verfolgt: Immerhin wäre eine Grundgesetzänderung nötig. Die wäre aber keine große Hürde, weil die Große Koalition über zwei Drittel der Sitze verfügt.