Der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs zu S 21 wird mit Spannung erwartet. Foto: Jan Reich

Kontrolle: Seit mehr als drei Jahren durchleuchtet der Bundesrechnungshof das umstrittene Bahnprojekt und den Beschluss des Aufsichtsrats zum Weiterbau. In Kürze soll das Ergebnis vorliegen.

Stuttgart - Nach einem ungewöhnlich langen Prüfverfahren, das seit mehr als drei Jahren läuft, soll die Bundesregierung demnächst den mit Spannung erwarteten Prüfbericht des Bundesrechnungshofs zum Weiterbau von Stuttgart 21 erhalten. Die abschließende Prüfmitteilung werde derzeit erstellt und man sei dabei „in der Endphase“, sagte Behördensprecher Martin Winter dieser Zeitung. Eine weitere Untersuchung zu den Bundeszuschüssen für S 21 soll bis Jahresende fertig sein.

Die Bonner Behörde, die alle Ausgaben des Staates überwachen und Verschwendung von Steuermitteln aufdecken soll, hat das umstrittene Milliardenprojekt schon lange im Visier. S 21 ist zwar ein Vorhaben der Deutschen Bahn AG und deshalb der Rechnungshof formal nicht zuständig. Die öffentliche Hand ist aber an den Baukosten direkt und indirekt in Milliardenhöhe beteiligt. Zudem trägt die DB AG als größter deutscher Staatskonzern, für den letztlich die Steuerzahler haften, maßgeblich die Risiken der Kostenexplosionen.

Bundestag vor hohen Mehrkosten gewarnt

Bereits 2008 ermittelte der Bundesrechnungshof, dass die offiziellen S 21-Kostenangaben des Konzerns und der Regierung von damals 3,1 Milliarden Euro viel zu niedrig sind. Damals berechneten die Experten schon „deutlich über 5300 Mio. Euro“ und warnten auch den Bundestag vor hohen Mehrkosten. Die Finanzierungsverträge wurden bald darauf dennoch unterschrieben und der Bau begonnen.

Ende 2012 musste DB-Chef Rüdiger Grube einräumen, dass die mittlerweile auf bis zu 4,5 Milliarden Euro korrigierten Kosten nochmals um mehr als 50 Prozent auf bis zu 6,8 Milliarden Euro steigen könnten. In den zuständigen Bundesministerien wurde der Abbruch des Projekts erwogen, wie die Stuttgarter Zeitung damals anhand eines internen Dossiers des Verkehrsressorts aufdeckte. Das Kanzleramt nahm aber Einfluss auf die Weiterführung, wie interne und inzwischen von S 21- Kritikern veröffentlichte Dokumente zeigen (www.strafvereitelung.de).

Das Thema ist politisch brisant

Regierungschefin Angela Merkel beschrieb seinerzeit S 21 als Projekt von nationaler Bedeutung. Am 5. März 2013 stimmte der DB-Aufsichtsrat, in dem der Bund und die Gewerkschaft EVG die Mehrheit haben, dem Weiterbau zu. Und das trotz Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro, einer riesigen Finanzierungslücke und einer milliardenschweren Zusatzbelastung für den Konzern, die S 21 für das inzwischen defizitäre und hoch verschuldete Unternehmen zum gewaltigen Verlustgeschäft machen kann.

Der Weiterbau rief erneut den Rechnungshof auf den Plan, der seither vor allem das Verhalten der Bundesvertreter als Aufseher des Konzerns untersucht. Das Thema ist politisch auch deshalb brisant, weil der damals zuständige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla inzwischen DB-Vorstand und als rechte Hand Grubes auch für korrekte Unternehmensführung zuständig ist. Gegen die DB-Spitze und Aufsichtsräte haben S 21-Kritiker wegen der Vorgänge bereits mehrfach Strafanzeigen gestellt, die aber bisher alle eingestellt wurden. Beim Aktionsbündnis gegen S 21 hofft man deshalb nun, dass der Rechnungshof die damalige Zustimmung der Bundesvertreter als pflichtwidrig beanstandet. Der Weiterbau war vom Aufsichtsrat mit der Aussage begründet worden, dass ein Abbruch noch teurer geworden wäre. Zuvor waren allerdings die entsprechenden Berechnungen der DB AG in den internen Unterlagen der Bundesregierung als wenig belastbar eingeschätzt worden.

Zweite Untersuchung soll bis Jahresende fertig sein

Die „Betätigungsprüfung“ des Rechnungshofs betrifft die Arbeit der drei Staatssekretäre aus dem Verkehrs-, Wirtschafts- und Finanzministerium im DB-Kontrollgremium. Einer der Vertreter hatte sich am entscheidenden Tag krank gemeldet und war nicht erschienen. Die Untersuchungen seien „hoch komplex“, man habe auch in der Berliner DB-Zentrale vertrauliche Unterlagen gesichtet und demzufolge Verschwiegenheit zu bewahren, sagte Behördensprecher Winter.

Die lange Verfahrensdauer wird mit Fristverlängerungen begründet, die den Ministerien auf Antrag gewährt wurden. Ende 2015 seien deren umfangreichen Stellungnahmen zu den Prüfergebnissen eingetroffen, die den Ministerien bereits seit vorigem Sommer vorliegen. Mitsamt einer langen Stellungnahme der DB AG werden die Antworten analysiert und in der abschließenden Prüfmitteilung bewertet. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen gehen dann zunächst an die drei Ministerien. Danach entscheidet der Bundesrechnungshof über eine Berichterstattung an den Bundestag.

Eine zweite Untersuchung, in der seit Sommer 2015 die Transparenz der Darstellung der Bundesmittel für S 21 geprüft wird, soll bis Jahresende fertig sein. Man erwarte dazu, so Winter, noch im Mai eine Stellungnahme aus dem Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).