VfB-Torjäger Simon Terodde: Spaß am unverfälschten Spiel Foto: Baumann

Der wachsende Einfluss von Sponsoren und Investoren, irre Ablösesummen, unnütze Shows und Spieler, die ihren Transfer erzwingen wollen. „Das ärgert die Liga, füllt die Kommentarspalten und nervt das Publikum“, kommentiert StN-Autor Gunter Barner.

Stuttgart - Kurz bevor sich der Vorhang hebt für eine neue Spielzeit hebt, bedient sich die dramaturgische Abteilung des Fußball-Theaters einer bekannten Strategie: Die Darbietungen versprechen aufregend Neues, verzichten aber nicht auf Bewährtes – wie etwa das Durcheinander bei den Freunden vom Hamburger SV.

Neu ist in jedem Fall der VfB Stuttgart, der schon Aufsehen erregte, noch bevor die Ballsaison so richtig eröffnet war. Sollte der frühzeitige Wechsel auf der Position des Sportvorstands den Trend markieren, im Gegenzug für den Rest der Saison unliebsamen Überraschungen vorzubeugen, wird der Wiederaufsteiger womöglich einen Meilenstein vorhersehender Unternehmensentwicklung setzen. Falls nicht, könnte die Geschichte für den einen oder anderen Beteiligten noch Spaß befreite Wendungen nehmen.

Das Fernsehgericht tagt

Vielmehr als die defensiv bedürftige Juniorenauswahl der Cannstatter Spätzle-Connection weckt die Neugier der Betrachter aber der Videobeweis. Ein technisches Hilfsmittel, das den Schiedsrichter vor grandiosen Irrtümern bewahrt, vor dem Zorn des Publikums – und vor der Einsamkeit des Versagers. Wie man nach ersten Feldversuchen weiß, kann die letztinstanzliche Ermittlung der Wahrheit jedoch dauern. Weshalb sich fürsorgliche Geister wie Bayern-Boss Uli Hoeneß bereits Gedanken darüber machen, wie sie an kalten Wintertagen ihr schwitzendes Personal im Video-Pausenmodus vor Erkältungen schützen. Glühwein-Hersteller und Größen aus der Pharmaindustrie bekunden angeblich ihr Interesse. Sponsoring – während das Fernsehgericht tagt.

Im Zweifel hilft die Ausstiegsklausel

Was wiederum dem wachsenden Zwang der Clubs gerecht würde, ihr Geld mit allen Mitteln zu mehren. Allein der FC Bayern München untermauerte sein Abo auf die Meisterschaft mit Transferausgaben von 100,5 Millionen Euro, ein Viertel dessen, was der Rest der vernünftig wirtschaftenden Liga zu investieren imstande war. Im Sog der unverschämt reichen englischen Premier League steigen die Kosten selbst für solche Spieler ins Unermessliche, die allenfalls dazu taugen, die Reservebank auf Körpertemperatur zu halten. Die anderen verweisen, wenn es dumm läuft, auf Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen und schwänzen das Training, um ihren Dienstherren von der Notwendigkeit eines Arbeitsplatzwechsels zu überzeugen. Neymar und Dembélé sind zwar Ausnahmen, bestätigen aber unter Umständen die künftige Regel.

Das ärgert zwar die Branche, füllt die Kommentarspalten und nervt das Publikum, trotzdem flutet die Kundschaft die Arenen, als sei nie was gewesen. Die Welle der Begeisterung trüben lediglich ein paar Sportsfreunde, die den Fußball ultra-mativ dazu nützen, ihre soziale Inkompetenz zu manifestieren. Das ist dumm, gefährlich und schadet jenen Ultras, die ihre Liebe zum Verein mit friedlichen Mitteln dokumentieren. Ganze Fanblöcke mit Kollektivstrafen zu belegen, hieß deshalb schon immer mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Auch das mit Empörung bewehrte Politiker-Geschwafel führt nicht weiter. Die wenigen Holzköpfe gehören von den Vereinen und ihren wahren Fans geächtet und an der Kasse aussortiert – wenn es sein muss mit Tickets, die nur nach Vorlegen des Personalausweises zugeteilt werden.

Wer spielt wann?

Wer jetzt noch rafft, zu welcher der sieben möglichen Anstoßzeiten zwischen Freitag und Montag sein bevorzugter Club live im Stadion, im TV, oder im Internet zu sehen ist, hat gute Chancen, den Teil des Geschäfts zu genießen, der unverändert Freude macht. Den Fußball ohne Showeffekte.

gunter.barner@stuttgarter-nachrichten.de