Frisches Blut für die Bundesliga: Alen Halilovic vom HSV zählt zu den Toptalenten, die sich in der Bundesliga zu Topstars entwickeln wollen. Foto:  

Knapp 500 Millionen Euro hat die Bundesliga für neue Spieler ausgegeben. Während es die Superstars wie Pogba oder Ibrahimovic weiter nach England zieht, setzen die deutschen Clubs immer stärker auf den Nachwuchs – und zahlen horrende Ablösesummen.

Stuttgart - Es ist ruhig geworden um Martin Ödegaard. Als Wunderkind wurde der Norweger gefeiert, als Justin Bieber des Fußballs, Europas Großclubs waren hinter ihm her. Mit 15 debütierte er in der Nationalelf, mit 16 wechselte er zu Real Madrid, ein künftiger Superstar, kein Zweifel. „Das ist der beste Ort, um mich zu entwickeln“, sagte Ödegard – und weiß eineinhalb Jahre später: Es war vielleicht ein bisschen früh. Real will den Teenager, noch immer keine 18, loswerden. Zuletzt platzte ein Leihgeschäft mit Stade Rennes.

Als Wunderkinder des Weltfußballs gelten inzwischen andere. Einige von ihnen wie der Franzose Ousmane Dembélé (19/ Borussia Dortmund), der Portugiese Renato Sanches (19/FC Bayern) oder der in Kamerun geborene Schweizer Breel Embolo (19/Schalke 04) spielen neuerdings in Deutschland. Knapp 500 Millionen Euro haben die Clubs vor dem Auftakt der Bundesliga in neues Personal gesteckt – und sind nicht davor zurückgeschreckt, zweistellige Millionenbeträge für Spieler zu bezahlen, die noch unter 20 sind. Immer umkämpfter ist dieser Talentmarkt, der früher vornehmlich den finanzschwachen Clubs vorbehalten war, die sich keine fertigen Topspieler leisten können. Heutzutage bieten sich die Schwergewichte aus München, Dortmund, Wolfsburg oder Gelsenkirchen gegenseitig in die Höhe.

Denn die Superstars zieht es weiterhin nach England, wo die Clubs nicht wissen, wohin mit ihren Fernsehmilliarden. Zlatan Ibrahimovic (34) bekommt nach seinem Abschied aus Paris bei Manchester United auf seine alten Tage ein Gehalt von 15 Millionen Euro. Für den Franzosen Paul Pogba (23) hat Man United die Rekordablöse von 105 Millionen Euro an Juventus Turin bezahlt – eine Summe, für die Manchester City in John Stones (22) vom FC Everton und dem Schalker Leroy Sané (20) immerhin zwei Mann an Land ziehen konnte.

Borussia Dortmund angelt sich besonders viele begehrte Nachwuchskräfte

Die Bundesliga-Spitze hält dagegen, indem sie Spieler verpflichtet, noch ehe sie zu Topstars und dadurch unbezahlbar werden. „Genau das ist der richtige Weg, wenn man sieht, wie sich die Preise auf dem Transfermarkt immer weiter nach oben entwickeln“, sagt der Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc, dessen Club bei der Suche nach Rohdiamanten in diesem Sommer besonders schnell war. „Der Verein hat es in dieser Transferperiode geschafft, fast alle europäischen Toptalente nach Dortmund zu holen“, sagt der frühere BVB-Trainer Jürgen Klopp, der mit dem FC Liverpool mehrfach zu spät kam.

111 Millionen Euro hat der BVB durch Abgänge wie Ilkay Gündogan (25), Mats Hummels (27) oder Henrikh Mkhitaryan (27) eingenommen – und steckte das viele Geld umgehend in neues Personal. Die WM-Helden Mario Götze (24) und André Schürrle (25) sind darunter – aber auch junge Spieler, deren beste Zeit erst noch kommen soll: der europaweit umworbene Offensivspieler Emre Mor (18), „türkischer Messi“ genannt und für acht Millionen Euro vom dänischen Club FC Nordsjælland gekommen; der Linksverteidiger Raphaël Guerreiro (22), für zwölf Millionen vom FC Lorient abgeworben, bevor er sich bei der EM mit Portugal ins Rampenlicht spielte. Und allen voran der Dribbelkünstler Ousmane Dembélé, den die Dortmunder bei Stade Rennes schon entdeckt hatten, „als er noch kein Ligaspiel gemacht hatte“, wie Clubchef Hans-Joachim Watzke sagt. 15 Millionen bezahlte der BVB für den Franzosen – und stach nicht nur den FC Liverpool, sondern auch die Bayern aus. „Ihn hatten wir auch im Fokus“, sagt deren Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Die Münchner können sich damit trösten, beim Werben um Renato Sanches rechtzeitig dran gewesen zu sein. „Nach der EM wäre er unbezahlbar gewesen. Dann würde er jetzt mit Sicherheit nicht in Deutschland spielen“, sagt Rummenigge. Auf eine Ablöse von 35 Millionen Euro einigten sich die Bayern bereits im vergangenen Mai mit Benfica Lissabon – durch Bonuszahlungen kann sie sich auf bis zu 80 Millionen Euro erhöhen. Unfassbar viel Geld für einen jungen Mann, der gerade erst 19 geworden ist und bei Benfica in 24 Spielen zwei Tore erzielt hat.

Beim Feilschen um den Angreifer Breel Embolo vom FC Basel wiederum, von Arsenal, Barcelona, Leipzig und vielen anderen umworben, erhielten die Schalker den Zuschlag – für 22,5 Millionen Euro, teuerster Einkauf der Clubgeschichte. „Das könnte in Zukunft noch mal als günstig gelten“, sagt der Manager Christian Heidel angesichts des neuen TV-Vertrags, der nächstes Jahr die Kassen der Bundesliga-Clubs noch stärker füllt. Dann werde es „das heißeste Transferfenster aller Zeiten“ geben.

Ab 24 sind Spieler für Ralf Rangnick nicht mehr interessant

Beim Werben um Talente, das glaubt auch der Leipziger Sportdirektor Ralf Rangnick, werde es in den nächsten Jahren „noch in ganz andere Bereiche gehen“. Im Embolo-Poker allerdings stieg er aus, da die Verhandlungen irgendwann „zu einer Art Monopoly“ geworden seien. Stattdessen kam neben Timo Werner (20/zehn Millionen Euro) vom VfB der guineische Mittelfeldspieler Naby Keita (21) für 15 Millionen aus Salzburg – auch er, versteht sich, „von europäischen Topclubs“ umworben, wie Rangnick berichtete. Es wird nicht der letzte Millionentransfer bleiben – je jünger, desto besser. Ab 24 sind Spieler für Rangnick nicht mehr interessant.

Während Wolfsburg mit der Verpflichtung des kroatischen Offensivspielers Josip Brekalo (18/sechs Millionen Euro) von Dinamo Zagreb ebenfalls in die Zukunft investiert hat, steht nun auch beim Hamburger SV eines der großen europäischen Talente auf dem Platz: Vom FC Barcelona kam für fünf Millionen der Kroate Alen Halilovic (20), auch so ein bei Dinamo Zagreb ausgebildetes Wunderkind, das einst mit 16 in der Champions League debütierte. „Ob er sich das von Messi abgeschaut hat, weiß ich nicht, aber es erinnert ganz stark an ihn“, sagte der HSV-Torwart René Adler, nachdem Halilovic im Pokal in Zwickau auf brillante Weise den 1:0-Siegtreffer erzielt hatte. Noch ein Messi also neben Emre Mor.

Bei Darmstadt 98 ist von Messi keine Rede. Und vom Trend zu Jungspielern auch nicht. Die Hessen gehen ihren eigenen Weg. Bei der Suche nach einem neuen Außenverteidiger sind sie in der Ukraine fündig geworden und haben Artem Fedetsky verpflichtet, als neuer Stürmer kam der Nigerianer Victor Obinna vom MSV Duisburg. Fedetsky ist 31 Jahre alt, Obinna 29. Dafür waren beide ablösefrei.