Huub Stevens: Einer von neun ausländischen Trainern in der Bundesliga. Alle weiteren in unserer Bildergalerie. Foto: dpa

Die Zahl ausländischer Kicker in der Fußball-Bundesliga geht seit Jahren zurück, auf der Trainerbank ist die Entwicklung genau umgekehrt. Neun der 18 Coaches stammen aus dem Ausland – das gab es noch nie.

Stuttgart - Max Merkel war der Erste. Er nahm gleich in der Premieren-Saison der Fußball-Bundesliga auf der Trainerbank von 1860 München Platz. Der Wiener galt als Exot, denn der Job des Fußballlehrers in der höchsten deutschen Spielklasse war damals noch eine urdeutsche Angelegenheit – und er blieb es für lange Zeit. Selbst als das Bosman-Urteil 1995 Tür und Tor für Kicker aus dem Ausland öffnete, blieb die Trainerbank fest in deutscher Hand. Von den 371 Fußballlehrern, die seit Gründung der Bundesliga im Jahr 1963 gezählt wurden, stammen nur 70 aus dem Ausland. Aktuell kehrt sich der Trend jedoch um. Neun der 18 Bundesligisten beschäftigen einen Coach mit ausländischem Pass – Rekord!

Klar, die Welt wächst zusammen, auch der Fußball wird immer internationaler. In den Kadern der Clubs herrscht längst Multikulti, warum soll es also auf den Trainerbänken anders aussehen? Vielleicht, weil sich der deutsche Fußball im eigenen Selbstverständnis seit jeher als Weltmacht sieht. Zwar nicht immer mit den besten Kickern, das Einmaleins des Fußballs glaubte man jedoch stets mindestens so gut zu beherrschen wie alle anderen.

Doch plötzlich ist alles anders. Niederländer, Schweizer, Italiener, Spanier, Österreicher, Türken, Ukrainer und Dänen bevölkern die Liga. Ein Trend? Oder nur Zufall und folglich eine Momentaufnahme? Frank Wormuth zögert mit der Antwort. Dann kommt der Chefausbilder beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu dem Schluss: Nein, Trainer aus der Fremde sind nicht generell im Kommen. Oder im Umkehrschluss die heimischen Übungsleiter auf dem Rückzug.

Gisdol oder Weinzierl stehen für die neue deutsche Generation

Wormuth geht vielmehr von einem Generationswechsel bei den deutschen Kollegen aus. Einige ältere Trainer wie Felix Magath oder Armin Veh klinken sich langsam aus, viele junge wie Frank Schmidt (1. FC Heidenheim), Ralph Hasenhüttl (FC Ingolstadt) oder Frank Kramer (Spvgg Greuther Fürth) befinden sich noch in den Startlöchern, sprich: in der zweiten Liga. „In der Bundesliga ist momentan eine Lücke, da stoßen viele ausländische Trainer rein“, meint Wormuth. Er kann sich aber gut vorstellen, dass sich diese Entwicklung bald wieder umkehrt: „Markus Weinzierl oder Markus Gisdol sind nur einige Beispiele dafür, dass wir sehr gute Trainer in Deutschland haben.“ Nur gibt es zurzeit offenbar nicht genügend, die schon das Zeug für die höchste Spielklasse haben.

Der Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie gewinnt dem Zwischenhoch aus dem Ausland allerdings auch viel Positives ab. „Die Trainer bringen neue Ideen und eine andere Mentalität mit, davon profitieren die Bundesliga und der deutsche Fußball insgesamt“, sagt Wormuth – auch wenn letztlich niemand den Fußball neu erfinden würde.

Das hat auch Huub Stevens nicht getan, als er 1996 beim FC Schalke 04 anheuerte. Für den Niederländer war die Bundesliga seit jeher ein Kindheitstraum. „Die Stadien, die Infrastruktur, die Atmosphäre“ – das sind aus Sicht des heutigen Trainers des VfB Stuttgart wesentliche Argumente, warum die Liga ihrerseits so reizvoll für Kollegen aus dem Ausland ist. Huub Stevens hat sich längst einen Namen gemacht, andere wie Kasper Hjulmand (FSV Mainz 05) oder Peter Stöger (1. FC Köln) sind gerade dabei, ihm nachzueifern.

Andre Malinowski vom Bund Deutscher Fußballlehrer (BDFL) vertritt die These, dass viele Vereine ihre Arbeit heute längerfristig anlegen. Als Beispiel führt der für die Trainer-Fortbildung zuständige Badener den FSV Mainz 05 oder den SC Freiburg an. Christian Streich schaffte es im Breisgau auch nicht von heute auf morgen in die Bundesliga, er durchlief eine lange Strecke vom Jugend- bis zum Assistenz-Trainer, ehe er nach 16 Jahren auf dem Chefsessel Platz nahm. Malinowski: „Es ist gut, wenn die Vereine ihren jungen Trainern die nötige Zeit geben, um sich zu entwickeln.“ Auch wenn sich dadurch im Oberhaus hin und wieder eine Lücke auftut.

Erfolge des deutschen Fußballs werden bald nachwirken

So international die Trainerlandschaft der Bundesliga inzwischen ist – umgekehrt zieht es nur wenige erstklassige deutsche Trainer weg. Zumindest in den Topligen Englands, Spaniens oder Italiens sucht man sie vergebens. Frank Wormuth glaubt, dass es für die Toptrainer derzeit einfach nicht viele Gründe gibt, der Bundesliga den Rücken zu kehren. Schließlich seien die Bedingungen hierzulande exzellent.

Einer, der es in England versucht hat, ist Felix Magath (61). Seit seiner Entlassung im September 2014 beim FC Fulham, den er ein gutes halbes Jahr zuvor auf dem letzten Platz der Premier League übernommen hatte und nicht vor dem Abstieg bewahren konnte, beobachtet er die Szene – und wundert sich. „Deutschland ist Weltmeister, schneidet seit Jahrzehnten international hervorragend ab. Selbstverständlich gibt es genügend deutsche Trainer, die einen sehr guten Job machen“, sagt Magath, um mit ironischem Unterton hinzuzufügen: „Anscheinend sind erfahrene Manager bei Bundesligisten der Meinung, dass es wichtig ist, einen ausländischen Coach zu haben, weil die deutschen Trainer nicht in der Lage sind, anständig zu trainieren.“

Als Bewerbung in eigener Sache will der frühere Coach des VfB Stuttgart, FC Bayern, FC Schalke 04 oder VfL Wolfsburg diesen Satz aber nicht verstanden wissen. „Mir fehlt aktuell nichts, ich freue mich, Zeit fürs Privatleben zu haben“, sagt Magath. Und wenn doch ein Angebot käme? Würde er es genau prüfen: „Ich habe genug geleistet im Fußball, um gewisse Ansprüche an das haben zu können, was ich machen will.“

Felix Magath war im Ausland, bei anderen scheiterte der Wechsel – die Gründe sind höchst unterschiedlich: Dazu gehören die Familie, das Alter oder auch die fehlende Machtfülle. Ralf Rangnick blieb vor Jahren trotz guter Angebote zu Hause, weil er seinen Kindern ein Nomadenleben ersparen wollte. Jürgen Klinsmann soll sich einst gegen den FC Liverpool entschieden haben, weil ihm die Bosse dort nicht völlig freie Hand lassen wollten. In einigen Ländern fehlte außerdem lange der Mut, es einmal mit einem Deutschen zu probieren. Doch die jüngsten Erfolge des deutschen Fußballs werden sicher bald nachwirken – und Trainer vom Schlage eines Jürgen Klopp irgendwann zu einem Club nach Spanien oder England führen. Dann werden sie die Exoten auf der Bank sein.