Jean-Marc Bosman: Seine Klage veränderte das Transfergeschäft Foto: dpa

Am Mittwoch steht mal wieder das Geschäftsgebaren der Bundesliga vor dem Arbeitsgericht. Torhüter Heinz Müller klagt gegen seinen Ex-Club Mainz 05. Das Transfersystem steht auf dem Prüfstand.

Stuttgart - In dieser Woche rollt der Ball wieder auf der europäischen Ebene, ganz oben, wo die Könner unter sich und die Summen, um die es geht, wahnsinnig sind. Dann wird sich auch der deutsche Fußball wieder fragen lassen müssen, was er tatsächlich wert ist. Nur werden die Blicke nach Madrid, Turin, Barcelona, Paris oder München wenig Aufschluss bringen. Denn über den Wert des deutschen Fußballs wird am Mittwoch vor dem Arbeitsgericht in Mainz verhandelt.

Der Grund dafür ist ein Rechtsstreit zwischen dem FSV Mainz 05 und seinem ehemaligen Torhüter Heinz Müller. Der Schlussmann, mit einem Vertrag bis 2014 ausgestattet, war in seinem letzten Jahr von Trainer Thomas Tuchel frühzeitig aussortiert worden und klagte auf eine Entschädigung von mehr als 400 000 Euro. So etwas kommt vor, man traf sich vor Gericht. Die Richterin lehnte die Entschädigung zwar ab, ließ sich aber zu einem fatalen Urteil hinreißen. Sie erklärte Müllers Arbeitsverhältnis für nicht zulässig. Dem Fußballer, so ihr Spruch, stehe ein unbefristeter Vertrag einschließlich gesetzlicher Kündigungsfristen zu. An diesem Mittwoch nun ist Berufungsverhandlung. Niemand glaubt, dass das Urteil bestehen bleibt. Aber wenn doch? Dann kann die Bundesliga dicht machen.

Spieler ohne Marktwert

Denn das Urteil bedeutet nichts anderes, als dass jeder Spieler zu jeder Zeit fristgerecht kündigen und am Quartalsende zu einem anderen Verein wechseln kann. Ablösefrei. Dies bedeutet dann konsequenterweise, dass Spieler keinen Marktwert mehr besitzen. Sie sind nicht mehr zu kaufen – und vor allem nicht mehr zu verkaufen. Der größte Wert vieler Vereine ist aber die Mannschaft. Ihr Marktwert dient als Sicherheit. Kann ein Verein aber durch den Verkauf von Spielern kein Geld mehr machen oder durch die Investition in ein Nachwuchstalent nicht auf spätere Gewinne hoffen, sieht es düster aus.

Der Wert des Kaders der SG Sonnenhof Großaspach wäre dann ebenso viel wert wie der des Starensembles von Schalke 04: null, nichts, niente, nothing. Die Profivereine hätten nichts mehr, mit dem sie handeln können. Der deutsche Fußball wäre international nicht mehr konkurrenzfähig.

Dass ausgerechnet im Fußball befristete Verträge unzulässig sein sollen, überrascht sowieso. In der Wirtschaft, besonders bei leitenden Angestellten, sind sie völlig normal. Und auch dort werden bei vorzeitiger Trennung Abfindungen bezahlt, gestritten wird in aller Regel nur um die Höhe.

Verträge mit überlangen Laufzeiten

Die latente Angst der Proficlubs rührt freilich daher, dass das Thema Ablösesumme schon einmal für einen Riesenwirbel in der Branche gesorgt hat. 1995 fällte der Europäische Gerichtshof das sogenannte Bosman-Urteil. Der Spieler Jean-Marc Bosman hatte gegen die zu hohen Ablöseforderungen seines Clubs nach Vertragsende geklagt. Seither können Spieler nach Vertragsende ablösefrei den Verein wechseln. Deshalb werden heutzutage Verträge mit oft überlangen Laufzeiten abgeschlossen, um sie gewinnbringend brechen zu können. Spieler mit einem Vier-Jahres-Vertrag werden eben nach drei Spielzeiten so teuer wie möglich verkauft.

Man kann über die Geschäftsgebaren im Fußball ja denken, was man will. Zumindest funktionieren sie so einigermaßen. Und wenn man ganz ehrlich ist, sind diese hohen Ablösesummen auch Teil des Showgeschäfts. Dass die Verträge auch zu komischen Situationen führen, konnte man am Samstag live in der Mercedes-Benz-Arena miterleben. Auf Berliner Seite stürmte gegen den VfB der Ex-Stuttgarter Vedad Ibisevic, der vor der Saison mit einer stattlichen Abfindung in die Bundeshauptstadt verabschiedet wurde. Eine ziemlich heikle Konstellation, aber immerhin waren sich die Hertha und der VfB ohne Gericht einig geworden.