Mario Gomez und Spieler mit Fluchtgedanken.Foto:dpa Foto:  

Die Liga vor der Winterpause: Rückkehrer mit Erfahrung, Profis mit Fluchtgedanken und Bullen mit Titel-Potenzial.

Stuttgart - Weil der Mensch kein Algorithmus ist, ändert er manchmal überraschend sein Programm. Wie der frühere Eintracht-Boss Heribert Bruchhagen (68). Man muss ihn verstehen. Wer sein halbes Fußballer-Leben als hängende Spitze in Harsewinkel und Gütersloh verbrachte, entwickelt den schwer zu zügelnden Drang ganz vorne zu stehen.

Erstaunlich ist nur, dass zwölfeinhalb Jahre als Chefpilot bei der notorisch tief fliegenden Frankfurter Eintracht nicht reichten, um den Narziss in seinem Innern zur Landung zu zwingen. Jetzt geht der Ruheständler, anstatt barbäuchig Longdrinks an der Copacabana zu schlürfen, als Lotse auf der Elbe an Bord.

Falls Uwe noch mal ran muss

Aber wenn nicht alles täuscht, war seine Mission bei den Hessen ein Wellness-Urlaub im Vergleich zu Anforderungen, die ihn beim Hamburger SV erwarten. Denn fast alles deutet kurz vor dem Abschluss-Ball der Hinrunde darauf hin, dass diesmal gelingen könnte, was die Hanseaten seit Jahren hartnäckig proben: der Abstieg. Torjäger Uwe Seeler hat sich zum achtzigsten Geburtstag jedenfalls mit Rücksicht auf seine Fitness alkoholische Geschenke jedweder Art verbeten: „Kann ja sein, dass ich noch mal ran muss.“

Auch andernorts ist in diesen unruhigen Zeiten die Erfahrung geübter Führungskräfte wieder gefragt. Der langjährigen Schlafwagengesellschaft VfB Stuttgart steht seit Oktober dieses Jahres der Unternehmer Wolfgang Dietrich (68) vor – mit dem Ziel, den Verein rasch wieder dorthin zu führen, wo sie den Ball häufiger pflegen als misshandeln. Das könnte sogar gelingen. Obwohl die Präzision im Passspiel des Absteigers bedenklich nah an die Streuung einer Schrotflinte reicht. Weshalb es beim Casting potenzieller Neuzugänge während der Winterpause kein Fehler wäre, dem Kriterium des unfallfreien Zuspiels über Distanzen von mehr als fünf Meter eine gewisse Bedeutung zukommen zu lassen.

Zu hohe Abgaswerte

Andernorts ringen die Zirkus-Verantwortlichen eher mit Problemen auf der Metaebene. Beim VfL Wolfsburg zum Beispiel ist die halbe Mannschaft auf der Flucht und der Verein offenbar so beliebt wie eine Schluckimpfung ohne Würfelzucker. Weil zuvorderst Manager Klaus Allofs für die hohe Stinkstiefel-Quote verantwortlich zeichnet, musste er seinen VW starten und vom Hof fahren. Die aktuelle Fehler-Diagnose: zu hohe Abgaswerte innerhalb des Teams. Stürmer Mario Gomez beklagte jedenfalls die „Null-Bock-Haltung“ einiger seiner Spiel-Kameraden. Julian Draxler musste er nicht gesondert erwähnen.

Wie gut hat es dagegen der FC Bayern. Die Artisten des zurückgekehrten Zeremonienmeisters Uli Hoeneß verfügen schon deshalb über ein hohes Maß an Eigenmotivation, weil seit neuestem in paar wild gewordene Bullen ihre Kreise zu stören versuchen. Die österreichische Geldanlage in Leipzig generiert erstaunlich beständig Rendite in Form von Punkten. Und sollten die Power-Fußballer aus Sachsen im Hinrundenfinale den FC Bayern auf die Hörner nehmen, könnte es erst mal vorbei sein mit dem Fußball-Katechismus im Land der Hoeneß-Jünger: Wir sagen nicht nur, dass wir die Besten sind. Wir glauben es auch.

Öfter mal Lotto spielen

Ob das eine gute Nachricht für den deutschen Fußball wäre, ist eine andere Frage. Denn der FC Bayern hat sich seinen wirtschaftlichen Vorsprung erarbeitet. RB Leipzig dagegen ist Teil einer Marketing-Maschine, die eine Ahnung davon liefert, wohin das Spiel in Zukunft steuert. Wer in der Bundesliga vorn mitmischen will, braucht einen Lizenzspieleretat von 70 bis 80 Millionen Euro. Schätzungsweise 250 bis 300 Millionen Euro erfordert der Verstoß in die europäische Elite. Der VfB bringt es nach dem Wiederaufstieg auf maximal 55 Millionen. Sie sollten mal wieder Lotto spielen.