Auch bei der Kinderbetreuung sind Bufdis im Einsatz Foto: Piechowski

Sozialträger in Stuttgart sind zufrieden mit der Nachfrage nach dem Bundesfreiwilligendienst.

Stuttgart - Seit einem halben Jahr ersetzt der Bundesfreiwilligendienst (BFD) den Zivi - und der ist fast vergessen. Die Sorgen der Sozialträger, auf gewisse Dienste verzichten zu müssen, waren unbegründet. "Es ist wesentlich besser angelaufen, als erwartet", sagt Wolfgang Hinz-Rommel von der Diakonie Württemberg.

Noch ist der alte Stand nicht erreicht. 253 sogenannte Bufdis arbeiten nach Angaben des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben derzeit in Stuttgart. Sie fahren Behinderte zu ihrem Arbeitsplatz oder teilen Essen im Pflegeheim aus. Das sind zwar nicht so viele wie die 430 Zivis, die zu Beginn des Jahres 2011 registriert waren. Doch es sind deutlich mehr als erwartet. "Der Wegfall der Zivildienstleistenden ist nahezu kompensiert", sagt ein Sprecher des Amtes in Köln. Denn die meisten Bufdis bleiben ein Jahr dabei, bei den Zivis waren es zuletzt nur noch sechs Monate. Bundesweit sind derzeit 28.000 Bufdis im Einsatz. Der Bund hatte 35.000 angepeilt.

Bei Diakonie Bufdis hochwillkommen

Zum Start des Bundesfreiwilligendienstes am 1. Juli 2011 waren auch in Stuttgart die Befürchtungen groß, der schlagartige Wegfall der Zivildienstleistenden könne die Sozialträger in große Bedrängnis bringen. Keine Gespräche mehr im Pflegeheim, stattdessen nur satt und sauber. "Angebote mussten teils umfänglich reduziert werden", beklagte etwa damals der Paritätische Wohlfahrtsverband, Dachorganisation vieler sozialer Träger.

Ein halbes Jahr später ist die Stimmung deutlich besser. "Die Nachfrage hat uns überrascht", sagt etwa Friedhelm Nöh, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt in Stuttgart. 50 zuvor besetzten Zivistellen stehen aktuell 30 Bufdis gegenüber. "Wir könnten noch ein paar gebrauchen, aber wir gehen davon aus, dass 2012 mit dem Doppeljahrgang die Zahl der Bewerber noch zunimmt." Nach wie vor seien vor allem die Fahrdienste beliebt, während Stellen im Pflegebereich auch mal längere Zeit unbesetzt blieben.

Auch bei der Diakonie Württemberg ist der Bufdi hochwillkommen. "Wir haben für ganz Württemberg mit 150 gerechnet und 370 bekommen", sagt Wolfgang Hinz-Rommel von der Diakonie, einem der größten Anbieter von Freiwilligendiensten im Land. "Damit sind wir sehr zufrieden." Beliebter ist immer noch das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) mit derzeit 1000 Absolventen.

Fachkräfte händeringend gesucht

Mit dem BFD ist der Verwaltungsaufwand für die sozialen Träger stark gestiegen. Scharfe Kritik übt Wolfgang Hinz-Rommel am Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, das dem Bundesamt für Zivildienst nachgefolgt ist: "Da gibt es einen riesigen Stau bei der Bearbeitung von Verträgen." Zum Teil seien vor mehreren Monaten begonnene Arbeitsverhältnisse noch nicht bestätigt, obwohl dies etwa für Fortbildungen Voraussetzung sei. Er ist gegen den Zentralismus und plädiert dafür, dass die örtlichen Träger selbstständig Verträge schließen können.

Gegenüber dem Zivildienst ist der Bundesfreiwilligendienst deutlich bunter besetzt. Laut Bundesamt für Familie sind 55 Prozent Männer und 45 Prozent Frauen im Einsatz. Im FSJ dagegen ist das Verhältnis umgekehrt, hier stehen zwei Drittel Frauen einem Drittel Männer gegenüber. Im Gegensatz zu Zivildienst und FSJ steht der Bundesfreiwilligendienst auch Bewerbern jenseits der 27 Jahre offen. Die Motivationen sind vor allem bei den älteren Bufdis dabei höchst unterschiedlich, sagt Hinz-Rommel von der Diakonie Württemberg. Darunter seien etwa Männer, die nach Jahren ohne beruflichen Erfolg eine Neuorientierung suchten, ehemalige Manager auf Sinnsuche oder Frauen, die nach der Familienphase den Wiedereinstieg ins Berufsleben vorbereiten wollten.

Mit dem Wegfall der Zivis hat sich auch der Charakter des Dienstes geändert. Die Zivis kamen, weil sie mussten. Jetzt aber komme es darauf an, was die Dienststelle zu bieten habe - etwa interessante Fortbildungen oder ein zusätzliches Taschengeld. "Wir müssen etwas dafür tun, dass sich Männer für ein Engagement im sozialen Bereich interessieren", so Hinz-Rommel. Das ist nicht ganz ohne Eigennutz. Denn im Sozialbereich sind Fachkräfte händeringend gesucht - und Männer meist unterrepräsentiert.