Der Bund hatte sich unter anderem bereit erklärt, Kosten für die Eingliederungshilfe von behinderten Menschen zu übernehmen. Foto: dpa

Bund will sich an den Kosten für die Eingliederungshilfe beteiligen, aber viele Fragen bleiben offen.

Berlin - Nach der Einigung zwischen Bund und Ländern auf die Zustimmung in der Länderkammer zum Euro-Fiskalpakt stellen die Städte und Gemeinden im Südwesten finanzielle Forderungen an die baden-württembergische Landesregierung. Der Bund hatte sich unter anderem bereit erklärt, Kosten für die Eingliederungshilfe von behinderten Menschen zu übernehmen. Christa Heilemann, Sozialdezernentin beim baden-württembergischen Landkreistag, sagte unserer Zeitung: „Wir erwarten, dass das Land die 400 Millionen Euro, die es vom Bund anteilig bekommen soll, voll an die Städte und Gemeinden weitergibt.“

Damit würden die Kommunen etwa um ein Drittel bei diesem Ausgabenposten entlastet. Im Südwesten haben die Kommunen 2010 etwa 1,2 Milliarden Euro für die sogenannte Eingliederungshilfe von Menschen mit Behinderungen aufgewendet.

Keine konkreten Summen benannt, die der Bund übernimmt

Unter Eingliederungshilfe sind die Kosten zu verstehen, die anfallen, um Menschen mit Behinderungen ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Je nach der Art der Behinderung können dies etwa die Kosten sein, die für die Hilfen anfallen, die ein behindertes Kind benötigt, um eine Regelschule zu besuchen. Unter Eingliederungshilfe fallen aber auch die Kosten für die Unterbringung eines Menschen mit schwersten Behinderungen in einem Heim.

Bis der Bund tatsächlich einen Teil der Eingliederungshilfe schultert, müssen allerdings noch einige Hürden genommen werden. Am Wochenende hatten sich die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung darauf verständigt, unter welchen Bedingungen die Länder im Bundesrat dem Fiskalpakt zustimmen.

Der Bund hatte sich zwar bereit erklärt, sich an den Kosten für die Eingliederungshilfe zu beteiligen. In den schriftlich vorliegenden Eckpunkten über die Vereinbarungen sind aber keine konkreten Summen benannt. Dem Vernehmen nach soll der Bund bereit sein, sich mit rund vier Milliarden Euro im Jahr an den Kosten für die Eingliederungshilfe von bundesweit etwa zwölf Milliarden Euro zu beteiligen. Auf den Südwesten kämen ersten Schätzungen zufolge Zuweisungen des Bundes in Höhe von 400 Millionen Euro zu. Details soll ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderungen regeln, das nach der nächsten Bundestagswahl 2013 erarbeitet werden soll.

Zahl der Empfänger von Eingliederungshilfe steigt stetig

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wollte denn am Dienstag auch nicht bestätigen, dass die Kostenübernahme von vier Milliarden Euro durch den Bund bereits fest vereinbart worden sei. Beim Landkreistag wird auch nicht ausgeschlossen, dass die Länder im Gegenzug für die Kostenübernahme des Bundes bei der Eingliederungshilfe dem Bund einen höheren Anteil vom Aufkommen der Mehrwertsteuer überlassen sollen.

Da die Zahl der Empfänger von Eingliederungshilfe seit Jahren kontinuierlich steigt, machen sich die finanziellen Belastungen für diese Sozialleistung, die im Südwesten von den Kommunen zu tragen ist, immer stärker in den Haushalten bemerkbar. Im bundesweiten Vergleich ist der Anteil der Empfänger von Eingliederungshilfe an der Gesamtbevölkerung im Südwesten am niedrigsten. So kamen in Baden-Württemberg 2009 auf 1000 Einwohner statistisch gesehen 6,3 Empfänger von Eingliederungshilfe. Mit 13,8 Empfängern je 1000 Einwohnern hatte Mecklenburg-Vorpommern eine doppelt so hohe Quote. Daraus folgt, dass Baden-Württemberg im Ländervergleich auch am wenigsten davon profitiert, wenn der Bund nun einen Teil der Kosten der Eingliederungshilfe übernimmt.

Am wenigsten musste der Stadtstaat Bremen mit 151,5 Millionen Euro aufwenden

Absolut wendet Nordrhein-Westfalen mit 3,1 Milliarden Euro in 2010 am meisten Geld für die Eingliederungshilfe auf. Bayern kam 2010 auf Kosten von 1,8 Milliarden Euro. Am wenigsten musste der Stadtstaat Bremen mit 151,5 Millionen Euro aufwenden.

Im Bundesschnitt lagen die Ausgaben für die Eingliederungshilfe 2009 bei 146 Euro je Einwohner. Die höchsten Nettoausgaben für die Eingliederungshilfe je Einwohner fallen mit 223 Euro im Jahr in Bremen an, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 177 Euro. Die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben hatte Sachsen mit 87 Euro, gefolgt von Baden-Württemberg mit 108 Euro.

Im Südwesten bekommen vergleichsweise viele Menschen mit Behinderungen Hilfen, um eine Schule zu besuchen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes bekam in Baden-Württemberg rund ein Fünftel der Empfänger Hilfen für einen angemessenen Schulbesuch, bundesweit lag dieser Wert lediglich bei der Hälfte. In Hamburg und Sachsen-Anhalt wurden Menschen mit Behinderungen demnach gar nicht bei ihrem jeweiligen Schulbesuch unterstützt.