Die Straßenbahnlinie U 1 trennt die beiden Siedlungsgebiete – den katholischen und den evangelischen Berg. Foto:  

Die Teilnehmer an der Zukunftswerkstatt Kaltental wollen eine städtebauliche Entwicklung in ihrem Stadtteil vorantreiben und fordern nun Unterstützung von der Stadt. Im Bezirksbeirat Süd haben sie ihre Pläne vorgestellt.

S-Süd - Neuer Wohn- und Lebensraum an der Böblinger Straße, eine attraktive Ortsmitte, eine Verbindung der beiden Berge und eine barrierefreie Haltestelle Kaltental – wenig Wünsche sind es nicht, welche Sabine Manthey, Alexander Haberer und Steffen Hornung am Dienstag im Bezirksbeirat Süd vorgetragen haben. Allerdings, so argumentieren sie, tut die Stadt Stuttgart sonst recht wenig für Kaltental. Man fühle sich fast schon als der „vergessene Stadtteil“, sagte Manthey.

Vor nicht ganz zwei Jahren hat sich in dem gemessen an der Einwohnerzahl drittgrößten Stadtteil im Stuttgarter Süden eine Bürgerinitiative formiert, die Zukunftswerkstatt Kaltental. Das Ziel der Bürger: eine Ausweisung Kaltentals als Sanierungsgebiet. Über die entsprechenden Fördermittel könnten dann einige der Bürgerwünsche umgesetzt werden.

Doch so weit ist man noch lange nicht. Zwar ist der Stadtteil inzwischen auf der Liste der potenziellen Sanierungsgebiete. Das bedeutet aber noch gar nichts, denn die Konkurrenz ist groß. Um ausgewählt zu werden, braucht es ohnehin eine sogenannte vorbereitende Untersuchung (VU). Im ersten Schritt fordern die Mitglieder der Zukunftswerkstatt nun genau diese ein. „Die Stadt muss jetzt handeln“, betonte Alexander Haberer in der Sitzung. „Kaltental wird seit 20 Jahren vernachlässigt.“

Den Rückhalt des beratenden Gremiums haben die Kaltentaler eigentlich schon. „Eulen nach Athen tragen“ nannte Bezirksvorsteher Raiko Grieb deshalb den Appell der Bürger. Der Bezirksbeirat setze sich schon seit Jahren für eine Umgestaltung Kaltentals ein. Auch Roland Petri (CDU) betonte den „Beginn eines Dialogs und nicht dessen Ende“. Das gemeinsame Ziel sei vollkommen klar, jetzt müsse man den Rest gemeinsam entwickeln. Wolfgang Jaworek von der Grünen-Fraktion erachtete die Barrierefreiheit an den Stationen des ÖPNV als wichtig an, ebenso wie die „Entschärfung der Rennstrecke“ Böblinger Straße. Auch eine andere Nutzung der Talsohle habe für ihn eine hohe Priorität. Die bisherigen Grünflächen hält Jaworek zudem für „recht unnutzbar“.

Die Aufwertung des Stadtteils würde Kaltental vor allem für junge Familien attraktiver machen. Davon ist Jens Hermann von den Stadtisten überzeugt. „Wohnraum für junge Familien mit mehr als zwei Kindern gibt es am Marienplatz nicht, dafür in Kaltental.“ Und gerade diese Familien wiederum machen den Stadtteil für Nahversorger wieder interessanter. In dieser Hinsicht sieht es in Kaltental derzeit mau aus.

Insgesamt waren sich die Mitglieder von Bezirksbeirat und Zukunftswerkstatt einig, dass man in Kaltental nun lange genug auf eine Veränderung gewartet hat. Jaworek warnte allerdings vor allzu großer Euphorie: „Wir müssen dicke Bretter ganz sorgfältig bohren und dabei die Geduld nicht verlieren.“ Für dieses Jahr sei das Zeitfenster zudem recht eng und man stehe in Konkurrenz zu Gaisburg und Untertürkheim.

Jeweils im Herbst eines Jahres entscheidet das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung, welche Gebiete im darauffolgenden Jahr zum Sanierungsgebiet erklärt werden. „Bis zur Sommerpause wird sich klären, welche in Frage kommen“, sagte Susanne Böhm, stellvertretende Leiterin der Abteilung Stadterneuerung und Bodenordnung. Man wäge dabei verschiedene Sachverhalte gegeneinander ab. „Bürgerengagement ist ein Faktor.“ Es spiele bei der Vergabe durchaus eine Rolle, ob die Sanierung in einem Gebiet willkommen sei.

Die Verschönerung der Kaltentaler Ortsmitte steht auch auf der Wunschliste des Bezirksbeirats für den Doppelhaushalt 2016/2017 ganz oben, einen SPD-Antrag, den Stadtteil als Sanierungsgebiet auszuweisen, gab es bereits im Februar 2015. Allerdings bemängelte die Stadtverwaltung damals eine fehlende gemeinsame Vision von Bezirksbeirat und Bewohnern, was die Gestaltung der Ortsmitte betrifft.

Kommentar zum Thema: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kommentar-vergessen-in-kaltental.df428f3f-bb98-4c4d-a17c-375e9b87eb1d.html

Der Stadtteil Kaltental

Geschichte
Kaltentals Ursprung liegt in einer kleinen Siedlung, die sich an die im frühen 12. Jahrhundert erbaute gleichnamige Burg anschloss. Die Herren von Kaltental waren zeitweise auch Burggrafen in Stuttgart. Die Burganlage, 1318 an Württemberg verkauft, wurde im frühen 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgetragen. Heute ist Kaltental verwaltungstechnisch dem Süden zugeordnet.

Statistik
Kaltental ist gemessen an der Einwohnerzahl der drittgrößte von den sieben Stadtteilen des Südens. Rund 6000 Einwohner leben dort in etwa 3100 Haushalten. Etwa 18,5 Prozent der Bevölkerung sind laut dem Datenatlas für die Stuttgarter Stadtbezirke älter als 65 Jahre. In Kaltental leben fast 400 Kinder unter sechs Jahren. Der Stadtteil ist vor allem für junge Familien interessant, weil die Immobilienpreise dort niedriger sind als in Innenstadtlage. Auch gibt es größere Wohnungen sowie mehr Ein- und Zweifamilienhäuser.

Zukunftswerkstatt
Die Initiative hat sich aus der Bürgerschaft heraus gegründet mit dem Ziel, Sanierungsgebiet zu werden, um den Stadtteil attraktiver gestalten zu können.