Peter Erben setzt sich für die Rechte der Fußgänger ein. Foto: Haar

Eine neu gegründete Initiative kämpft für bessere Bedingungen für Fußgänger in der Stadt. „Als Fußgänger und als Radfahrer wird uns täglich bewusst: Die Masse der öffentlichen Straßen, Plätze und Wege ist extrem einseitig zu Gunsten einer autogerechten Infrastruktur gestaltet“, sagt Initiator Peter Erben.

Stuttgart - Wer in unmittelbarerer Nähe zum Neckartor wohnt, hat gute Gründe, sich mehr Fußverkehr in der Stadt zu wünschen. Peter Erben wohnt dort. Er ist geplagt vom Feinstaub, vom Verkehr, von der miesen Luft. Weniger Autos in der Stadt würden seine Lebensqualität enorm verbessern. Aber wer steigt schon um ? Wer lässt schon das Auto stehen, um ein paar Meter zu Fuß zu gehen? Wenige. Auch weil Fußgängern im Alltag zu viele Hindernisse begegnen. „Leider erfüllen die Bürgersteige und Gehwege allzu oft nicht ihren ursprünglichen Zweck“, sagt Erben und hat sich ein Ziel gesetzt: Er will den Fußgängern in der Stadt eine starke Stimme geben.

Und weil eine Stimme alleine oft untergeht, hat sich Peter Erben Verbündete gesucht: Seit Montagabend gibt es in Stuttgart eine Ortsgruppe des „Fuss e. V.“, dem Fachverband Fußverkehr Deutschland. Schon bei der Auftaktveranstaltung im Gemeindesaal der Friedenskirche war eine Reihe von fachkundigen Vertretern aus verschiedenen Bereichen dabei. Unter anderem Rainer Kuhn und Natalia Pfau, die bei der Uni Stuttgart das Projekt „Reallabor“ betreuen. Oder Helmut Gemrig vom Blinden- und Sehbehindertenverband sowie der VCD-Vorsitzende Christoph Link und Friederike Voetteler von den Naturfreunde Stuttgart.

Die Rolle des Fußverkehrs wird unterschätzt

Zusammen mit interessierten Bürgern teilten sie die Meinung von Pater Erben: „Die Rolle des Fußverkehrs ist von großer Bedeutung für die städtische Gesellschaft. Sie wird aber als nicht so bedeutungsvoll in der Öffentlichkeit wahrgenommen.“ Das liege wohl daran, dass zu Fuß gehen als ein banaler Vorgang gesehen werde. Zudem fehle es an Wissen. Dabei hätten Untersuchungen ergeben, dass attraktive Rahmenbedingungen ein gewaltiges Mobilitätspotenzial hätten. Daher wird aus Erbens Sicht, die Behinderung von Fußverkehr in der Kommunalpolitik zu wenig thematisiert: „Die Sehnsucht nach einer Lobby ist ausgeprägt. Die Sorge des nicht gehört Werdens auch.“

Damit hat der Initiator der neuen Ortsgruppe in ein Wespennest gestochen. Schon in der Gründungssitzung machten Bürger ihrem Unmut Luft. So wurde der Rückbau eines Gehweges in der Pflasteräckerstraße zu Gunsten von Parkplätzen scharf kritisiert. „Wie selbstverständlich werden Autos und Transporter ungeahndet in der Stadt abgestellt. Steigt der Parkdruck, greifen städtische Ämter gerne und flink zum Pinsel. Ungeniert zwackt man mit einer neuen Markierung dem Fußgänger ein gehöriges Stück Fußweg ab und ermöglicht so den Kraftfahrern legales Parken“, sagt Erben. Selbst sogenannte „sichere Schulwege“, blieben von derart dreister öffentlicher Beschlagnahmung nicht verschont.

Konflikte mit Radfahrern

Dies ist nicht der einzige Kritikpunkt der Bürger. Sie monieren auch die „Möblierung“, die enge Gehwege noch schmaler machen. Zum Beispiel die Parkscheinautomaten des Parkraum-Managements in den Stadtteilen. Hinzu kämen Warentische, Verkehrsschilder, Barhocker, Werbereiter, Ladesäulen für die E-Mobility und so weiter. „Wie kommt man eigentlich auf die Idee, Infrastruktur für Autos wie selbstverständlich auf den Flächen der Fußgänger zu installieren?“, fragt Peter Erben spitz.

Aber auch der Konflikt mit den Radfahrern wurde angesprochen. Mangels sicherer und attraktiver Routen für Fahrradfahrer wichen viele von der Straße auf Gehwege aus. Ein Sitzungsteilnehmer empfand den Steg beim Planetarium, wo es täglich zu brenzligen Situationen zwischen Fußgängern und Radfahrern komme, als Zumutung. Peter Erben: „Als Fußgänger und als Radfahrer wird uns täglich bewusst: Die Masse der öffentlichen Straßen, Plätze und Wege ist extrem einseitig zu Gunsten einer autogerechten Infrastruktur gestaltet.“

Dieses Ungleichgewicht werde auch durch S-21-Baustellen deutlich. „Dort wird mit extremem Aufwand alles getan, um die Straßenkapazitäten für den motorisierten Individualverkehr zu erhalten. Fußgänger und Fahrradfahrer hingegen werden auf engstem Raum zusammen gequetscht“, sagt Erben. Sein Fazit: „Die größten Verlierer im harten Kampf um die Verteilung der Flächen im öffentlichen Raum sind am Ende zu oft die Fußgänger. Also genau die Gruppe mit der umweltverträglichsten Mobilität überhaupt.“

Für das nächste Treffen Regionalgruppe „Fuss e. V.“ im Gemeindesaal der Friedenskirche am 12. Oktober um 19.30 Uhr haben sich die Aktivisten bereits eine Agenda gegeben: Man will einen Aktionsplan erarbeiten, um die Missstände zu mildern. Bereits in der Gründersitzung sind erste Vorschläge gemacht worden. „Wir sollten nach dem Vorbild der Critical Mass eine Fußgänger-Demo machen“, sagte einer. Ein anderer schlug vor, den Shared-Space in der Tübinger Straße weiter auszudehnen.

Peter Erben ist zuversichtlich, mit der Unterstützung von weiteren engagierten Bürgern etwas im Sinne des Fußverkehrs zu bewegen. Sein Versprechen klingt fast wie eine Drohung: „Wir bleiben dran.“