Den Bürgern die Politik näher bringen - das ist Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) zufolge der Sinn des neuen Bürger- und Medienzentrums. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Arbeit der Abgeordneten und damit die Demokratie entdecken - das soll den Baden-Württembergern künftig immer möglich sein. Zur Eröffnung seines neuen Bürger- und Medienzentrums feiert der Landtag in Stuttgart ein großes Fest.

Stuttgart - Die Besucher treten ans Rednerpult im Plenarsaal des Landtags, jeder lässt mindestens einmal die Faust auf die Platte donnern oder mahnt mit erhobenem Zeigefinger für ein Erinnerungsfoto. Das obligatorische Ausrichten des Mikrofons darf ebenfalls nicht fehlen.

Der sanierte Landtag im Herzen Stuttgarts hat einen neuen Anbau bekommen, und die Menschen können ihre Neugierde am Samstag bei einem Bürgerfest stillen. Auf den Stühlen, auf denen sonst die Regierungsmitglieder oder Abgeordnete sitzen, nehmen Besucher Platz. In der Innenstadt tobt sich der Nachwuchs gleichzeitig beim Kinder- und Jugendfestival aus.

Auch die Politiker selbst sind da und zeigen sich politisch-ernst oder musikalisch: Manfred Kern und Dorothea Wehinger (beide Grüne) singen mit Gitarre unter anderem „Die Gedanken sind frei“. Bei einer Fragerunde mit Bürgern und Abgeordneten geht es dagegen hitziger zu. Als die umstrittene Neuregelung der Altersversorgung der Abgeordneten zur Sprache kommt, werden auch zwischen den Parlamentsmitgliedern Rechtfertigungen ausgetauscht.

Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist da und lässt sich unter anderem an einem Stand der Grünen und der Universität Hohenheim zum Thema „Gesunde Natur“ verschiedene Bodenarten zeigen.

Den Bürgern die Politik näher bringen - das ist Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) zufolge der Sinn des neuen Bürger- und Medienzentrums. „Fühlen Sie sich nicht als Gast. Es ist auch Ihr Landtag“, ermuntert sie die Besucher. Diese Offenheit solle in Zukunft immer gelten.

Aras zieht Parallelen zwischen dem alten Athen und dem neuen Zentrum

Aras zieht Parallelen zwischen dem alten Athen und dem neuen Zentrum: „Die Agora war in Athen die erste Stätte der Freiheit und Demokratie, daher haben auch wir eine Agora“, erklärt die Grünen-Politikerin die Form des Eingangs, der an ein antikes Amphitheater erinnert. Demokratie ist Aras zufolge keine Selbstverständigkeit: „Wir sind dabei auf Sie angewiesen, die mit Lust für die Demokratie streiten.“ Das Medienzentrum soll die Chance geben, den Dialog mit den Bürgern noch intensiver zu führen.

Das Bürger- und Medienzentrum wurde in den vergangenen zwei Jahren neben dem Landtag gebaut. Zu der Fläche von knapp 7000 Quadratmetern des Landtags kommt das Zentrum mit 1280 Quadratmetern hinzu. Dort sollen künftig mehr als 40 000 Besucher im Jahr die Arbeit im Landtag kennenlernen. Das Zentrum kostete rund 17,5 Millionen Euro.

Johannes Meinke, Besucher und Architekt, ist von der Bauweise des unterirdischen Medienzentrums begeistert: „Es ist bis ins Detail toll gemacht und durch die offene Bauweise fühle ich mich nicht wie in einem Keller.“ Das Medienzentrum sei eine längst überfällige Ergänzung des Landtags.

Nach Angaben der Verwaltung sind rund 12 000 Menschen der Einladung in den Landtag gefolgt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch an diesem Tag: Der gesamte Landtag ist eingezäunt, Besucher müssen gründliche Taschenkontrollen über sich ergehen lassen. Jeder Reißverschluss muss geöffnet und der gesamte Inhalt der Taschen herausgeholt werden. Bis zu 50 Beamte stehen laut Polizei um das Gebäude.

Besucher Johannes Pfeffer sieht keinen Grund zur Sorge wegen der Sicherheit: „Ich bin entspannt, auch wenn die Kontrollen ein wenig länger dauern.“ Ein anderer Besucher, der seinen Namen lieber nicht nennen will, findet die Maßnahmen dagegen übertrieben: „Das ist zu viel. Ich habe lieber mehr Freiheit und dafür ein wenig mehr Risiko.“