Ein Metallgerüst soll die Lage des umstrittenen Aussichtsstegs zeigen. Das Buschwerk davor wird ausgelichtet. Foto: Patricia Sigerist

Eine Gruppe von Naturschützern hat mit Unterstützung von Einwohnern aus Kernen einen Bürgerentscheid erzwungen. Die Wähler sollen darüber entscheiden, ob im Naturdenkmal Sieben Linden im Ortsteil Stetten ein Aussichtssteg entstehen darf. Befürworter haben jetzt ein Schaugerüst aufgestellt, um die Lage und Abmessungen des Bauwerks aus Metall zu veranschaulichen.

Kernen-Stetten - Der Besucher der Landschaftsmarke Sieben Linden bei Stetten könnte an eine umgekippte Riesen-Leiter oder an eine Leichtraketen-Abschussrampe denken, wenn er das nur scheinbar funktionslose Stahlbauwerk neuerdings dort sieht. So transparent, sprich nicht zu betreten, wird der als filigran beworbene Aussichtssteg nicht aussehen, wenn er an dieser Stelle zur Zeit der Remstal-Gartenschau 2019 und auch danach den Wanderern ein Skywalk-Erlebnis bieten soll: einen atemberaubenden Rundblick, gepaart bei manchen Menschen mit schlotternden Knien wegen der sichtbaren Fallhöhe. Der richtige Steg wird einen festen Boden, ein funktionsfähiges Geländer sowie Kosten von 150 000 bis 200 000 Euro haben. Abweichend von dem illustrierenden Gerüst wird er sich allerdings an seiner Spitze von 1,20 Meter Breite auf 3,50 Meter weiten. Abzüglich der Eigenleistungen örtlicher Unternehmen und Gratis-Planungsleistungen des weltweit renommierten Ingenieurbüros Schlaich Bergermann Partner sowie dank Zuschüssen des Verbands Region Stuttgart sollen nur etwa 100 000 Euro bei der Gemeinde Kernen hängen bleiben.

Anschauungsunterricht für um die Landschaft besorgte Bürger

Im Streit um den erhofften Anziehungspunkt für Touristen aus nah und fern und im Vorfeld des Bürgerentscheids am Sonntag, 27. November, gibt das Modell der „Pro-Schlaich-Steg- Gruppe“ mit dem früheren Gemeinderat Dieter Binder als Mitstreiter Anschauungsunterricht: Die Konstruktion soll veranschaulichen, dass die geplante Gartenschau-Attraktion angesichts des Umfelds aus Bäumen und Büschen und ihrer Ausrichtung gen Nordosten nach Strümpfelbach hin gar nicht so hässlich heraussticht, wie von vielen befürchtet. Von unten, also vom Stettener Haldenbachtal aus, soll er kaum zu sehen sein.

Diese Erkenntnis wäre, soweit das Schaugerüst wirklich Überzeugungskraft hat, wichtig für die Entscheidung zum Wahlgang. Denn viele Bürger in Stetten befürchten, dass der gewohnte Anblick der Landschaft durch eine Metallplattform auf Dauer zum Nachteil verändert wird – und das in einem Landschaftsschutzgebiet.

Unabhängig davon bestreiten Naturschützer unter den Steg-Gegnern, dass sich der Blick auf das sich weitende Remstal und seine sich ausbreitenden Ortschaften, Straßen, Hochspannungsleitungen und überdachten Obstanlagen überhaupt so sehr lohnt und er sich durch den geplanten Aussichtssteg wesentlich verbessert. Mit Hilfe der Steg-Leiter kann der Bürger dies nicht nachprüfen: Die Macher haben ihr Schaugerüst nicht zum riskanten Jonglieren ohne Handlauf und Boden einige Meter über dem steil abfallenden Hang gebaut und mit rot-weißen Bändern abgesperrt.

Das Naturdenkmal ist geschützt – der Steg liegt außerhab schützenswerter Bereiche

Auch zur Frage, ob ein Naturdenkmal, wie es die Sieben Linden sind, noch mehr Fußgänger als bisher verträgt, kann das Gerüst keine Antwort bieten. In dieser Sache hat sich ein Gutachter im Auftrag der Gemeindeverwaltung positioniert: Die schützenswerten Bereiche – wertvolle Rückzugsgebiete für Eidechsen und anderes Getier sowie seltene Pflanzen – liegen abseits des Steg-Standorts. Die Bäume werden, so versprechen die Planer, nicht angetastet.

Zweifelnde Betrachter klärt Dieter Binder auf: „Das Gerüst ist 1:1 in Länge und Breite, allerdings ohne die Aufbauten. Wir haben es an der Originalstelle des Schlaich-Stegs aufgebaut. Sie können sich jetzt gerne persönlich ein Bild von der Größe, dem Standort und der Sichtbarkeit vom Ort aus machen.“ Die Abmessungen seien korrekt: „Der Steg hat eine Gesamtlänge von 18 Metern. Allerdings ragen diese nicht über die Kante hinaus, sondern nur etwa 10 Meter. Der Steg wird genau dort erstellt, wo das Schaugerüst jetzt liegt.“