Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft: „Bietet Gelegenheit, sich zu den Erfahrungen auszutauschen“ Foto: Staatsministerium

Dass es die Grünen mit der aktiven Förderung von Stuttgart 21 auch nach der Volksabstimmung nicht so genau nehmen, wirft ihnen die Opposition immer wieder vor. Jetzt sehen sich Befürworter des Bahnhofsprojekts aufs Neue bestätigt.

Stuttgart - Dass es die Grünen mit der aktiven Förderung von Stuttgart 21 auch nach der Volksabstimmung nicht so genau nehmen, wirft ihnen die Opposition immer wieder vor. Jetzt sehen sich Befürworter des Bahnhofsprojekts aufs Neue bestätigt. Stein des Anstoßes ist eine Delegationsreise unter Führung der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, vom 15. bis 17. Oktober nach Wien.

In der österreichischen Hauptstadt, die zurzeit ebenfalls einen neuen Hauptbahnhof baut, biete sich Gelegenheit, „sich zu den Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung auszutauschen und voneinander zu lernen“, schreibt die Grünen-Politikerin in ihrer Einladung, die auch an die Fraktionen ging. Für diesen Erfahrungsaustausch ist eigens ein Workshop geplant.

Doch als die Abgeordneten das vorläufige Programm überflogen, stutzten einige über die Auswahl jener Referenten, die das Projekt samt Bürgerbeteiligung vorstellen sollen: Es sind drei ausgewiesene Kritiker des Vorhabens. So soll die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender „Stuttgart 21 aus der Sicht eines Vertreters der Zivilgesellschaft“ beschreiben. Frank Schweizer von der Bürgerinitiative Kernerviertel wird mit einem Impulsvortrag zur „nachlaufenden Bürgerbeteiligung bei Stuttgart 21“ angekündigt. Und Stuttgarts Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle obliegt die Aufgabe, „Modelle für die Zukunft“ zu entwerfen.

„Wir hätten uns eine andere Zusammensetzung vorstellen können, das sind doch alles bekennende Stuttgart-21-Gegner“, konstatiert der CDU-Fraktionschef im Landtag, Peter Hauk. Wer auf Steuerzahlerkosten nach Wien reise, sollte auch Befürworter des Projekts zu Wort kommen lassen. Aber die Grünen wollten halt mal wieder ihre eigene Position bestätigt sehen, mutmaßt Hauk.

Auch sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke zeigt sich verwundert über die Wahl der Referenten: „Ich halte es für problematisch, wenn man über die Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung redet, aber ausschließlich Stuttgart-21-Gegnern ein Forum bietet.“ Die Staatsrätin möge lieber ihre überfälligen Gesetzentwürfe zur interfraktionellen Einigung über eine bessere Bürgerbeteiligung auf Gemeinde- und Landesebene vorlegen, „anstatt mit Projektgegnern durch die Weltgeschichte zu reisen“. Auch in der Landtags-SPD habe die Wahl der Referenten Stirnrunzeln hervorgerufen, heißt es. Zumindest bei jenen, die Stuttgart 21 wohlwollend gegenüberstehen.

Im Staatsministerium versteht man die negativen Reaktionen allerdings nicht. Es gehe gar nicht um Stuttgart 21, rechtfertigt Regierungssprecher Rudi Hoogvliet die Teilnahme von Bürgermeister Werner Wölfle an der Reise. Der vertrete nämlich Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Außerdem leite Wölfle eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe zur stärkeren Verankerung von Bürgerbeteiligung, die in der Stadtverwaltung eingerichtet werde.

Brigitte Dahlbender wiederum nehme ebenfalls nicht als S-21-Gegnerin teil, sondern als „Referentin für die Belange des Umwelt-, Tier- und Naturschutzes bei Großprojekten“. Sie plädiere für die bessere Einbindung von Bürgern bei der Planung – unabhängig von Stuttgart 21.

Frank Schweizer schließlich von der Bürgerinitiative Kernerviertel habe zwar einen engen Bezug zu dem Bahnhofsprojekt. „Allerdings sind in dieser Initiative nicht nur Gegner organisiert. Hier geht es um eine Gruppe der Zivilgesellschaft, die sich konstruktiv-kritisch in einen Dialog und einen Beteiligungsprozess einbringt.“

Ob diese Argumente die Opposition überzeugen, muss sich erst noch zeigen. Vielleicht begleitet ja auch jemand aus ihren Reihen die Staatsrätin. Erleichtern könnte die Entscheidung, dass auch Eckart Fricke, der Konzernbevollmächtigte der Bahn, mit nach Wien fährt. Als Redner ist er dort allerdings nicht vorgesehen.