An Empfehlungen hat es der Filderdialog, hier ein Bild vom Sommer 2012, nicht fehlen lassen, doch umgesetzt wurden sie nicht. Foto: Leif Piechowski

Von der Fassadendämmung bis zum Tempolimit: Mit 1082 Vorschlägen bringen Bürger ihre Sicht des Klimaschutzes in die politische Diskussion ein. Jetzt verfolgen sie gespannt, welche die Landesregierung davon umsetzt.

Stuttgart - Das Land sollte im Interesse der Glaubwürdigkeit mit seinen eigenen Gebäuden Vorbild beim Energiesparen werden und mehr in die Sanierung investieren: Dies ist einer von 1082 Vorschlägen, die Bürger und Verbändevertreter im vergangenen Vierteljahr auf Einladung der Landesregierung erarbeitet haben.

Es seien „zum größten Teil Erfahrungen aus der Praxis des täglichen Lebens“, sagte Petra Demuth aus Weil im Schönbuch, die an einem der insgesamt zwölf Runden Tischen mitgearbeitet hat. Dort entstand etwa der Appell, dass nur mit sicheren S-Bahnhöfen die Bürger zum Umsteigen bewegt werden können.

Die Bürger und Vertreter verschiedener Wirtschaftsverbände waren aufgerufen, auf die mehr als hundert Vorschläge einzugehen, die Grün-Rot im vergangenen Jahr als „Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept“ vorgelegt hatten.

Die Teilnahme war auch online möglich: „Über 7000 Besucher der Seite haben 82.205 Bewertungen und 6742 Kommentare abgegeben“, bilanzierte Umweltminister Franz Untersteller, als er den 300 Seiten dicken Empfehlungsband entgegennahm. Die Resonanz, so der Grünen-Politiker, zeige das große Interesse der Öffentlichkeit, die Themen Energiewende und Klimaschutz mitgestalten zu können.

Die Teilnehmer quittierten dies in der Tat mit Lob: „Das ist ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagte Thomas Bürkle vom Fachverband Elektro- und Informationstechnik. Den jüngst vom Steuerzahlerbund erhobenen Vorwurf, Bürgerbeteiligung sei zu teuer, wies Bürkle zurück: „Das Geld spielt sich wieder rein.“

„Sollte das wie beim Filderdialog laufen, war das rausgeschmissenes Geld“

Auch Untersteller rechtfertigte die Kosten: „Wer behauptet, Bürgerbeteiligung sei rausgeschmissenes Geld, lebt immer noch in der Welt von gestern.“ Damit werde Akzeptanz geschaffen – auch wenn man nicht alle Gegner zu Befürwortern machen könne. Doch die Bürger lernten so die Beweggründe der Politik verstehen.

Die unter dem Kürzel Beko laufende Aktion (Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung am integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept) kostet laut Untersteller 270.000 Euro – inklusive die wissenschaftliche Auswertung. Der Runde Tisch zum geplanten Pumpspeicherwerk Atdorf schlug mit 90.000 Euro zu Buche, die Bürgerinformation zum Nationalpark mit 41.000, der Filderdialog sogar mit 250.000 Euro.

Vor allem dieses Forum, bei dem im vergangenen Sommer rund 150 Bürger und Interessenvertreter Varianten für einen Flughafenbahnhof diskutiert haben, rief in den jüngsten Veranstaltungen offenbar negative Erinnerungen wach.

„Sollte das wie beim Filderdialog laufen, war das rausgeschmissenes Geld“, sagte Petra Demuth mit Blick auf die nicht umgesetzten, weil zu teuren Empfehlungen. Die Glaubwürdigkeit der Politik werde sich erst daran zeigen, was letztlich im Parlament beschlossen wird.

Homburger: Bürgerbeteiligung ungenügend

Untersteller sieht zwar grundsätzliche Unterschiede zwischen beiden Dialogverfahren, räumte aber ein, dass auch die Vorschläge zur Energiewende auf ihre Finanzierbarkeit hin geprüft werden müssten. Die Landesregierung werde das Ergebnis dieser Prüfung noch vor der Sommerpause im Internet veröffentlichen. Auch rechtliche Vorbehalte hält er für denkbar, so etwa bei dem Vorschlag, Bürgergenossenschaften beim Bau von Windkraftanlagen gegenüber kommerziellen Investoren zu bevorzugen.

Auch Thomas Bürkle hofft, dass die Empfehlungen zügig umgesetzt werden. Er räumte aber ein, dass einige Vorschläge erst im Lauf vieler Jahre verwirklicht werden können. Eines der großen und wichtigen Ziele ist für ihn, dass alle Bürger neutral und kompetent über Energieeffizienz beraten werden. Demuth betonte, von den Investitionen in die Energiewende müssten auch Kleinbetriebe profitieren.

Trotz des Lobes über die Runden Tische hält die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger die Bürgerbeteiligung für ungenügend: „Den Bürgern wird kein ehrliches Angebot gemacht. Es wird Mitsprache versprochen, sie erhalten aber faktisch nur einen Kummerkasten“, erklärte sie in einer Mitteilung. Wann immer den Ankündigungen nämlich Taten folgen müssten – so beim Filderdialog –, ignoriere die Landesregierung die Wünsche der Bürger.