Der Zeichner und sein Werk: Bruno Bozzetto Foto: Claudio Bracchini

Vor sechzig Jahren hat der italienische Trickfilmer Bruno Bozzetto seinen größten Helden erfunden: „Herr Rossi sucht das Glück“. Beim Stuttgarter Trickfilmfestivals fragten wir Signore Bozzetto, wie’s denn Herrn Rossi mittlerweile geht.

Stuttgart - Es gehört zum Schicksal eines Trickfilmers, dass seine Figuren mitunter berühmter sind als der Künstler selbst. Herr Rossi beispielsweise könnte kaum durch Stuttgart gehen, ohne Autogramme geben zu müssen oder Hände zu schütteln. Bruno Bozzetto aber kann das. Beziehungsweise: bis eben noch konnte er das. Nun steht der 79-jährige Italiener im Foyer des Renitenztheaters und schreibt in aller Ruhe seinen Namen auf Fotos von Signore Rossi.

Beim Trickfilmfestival ist Bozzetto gerade vom Synchronisations-Comedian Dodokay mit einer schwäbischen Version von „Herrn Rossi“ geehrt worden, nun weiß jeder im Raum, wer der lässige ältere Herr ist, dessen Brille wie eine Kette auf der Brust baumelt. „Es ist völlig in Ordnung, dass Herr Rossi wesentlich bekannter ist als ich. Ich bin mir sicher, dass meine Rolle seit je die im Hintergrund sein sollte“, sagt er. „Da kann ich in aller Ruhe arbeiten.“

1960 lief im italienischen Fernsehen erstmals die Geschichte von Herrn Rossi, einem rechtschaffenen Arbeitnehmer, der das Glück sucht, weil sein Leben nicht genügend Freude für ihn bereithält. Fast sechzig Jahre später sind die Geschichten noch immer unglaublich witzig und näher am Zeitgeist als je erhofft.

Wie ein frecher Achtjähriger

„Ich habe damals nicht im Traum daran gedacht, Filme zu machen, die gegen die Zeit bestehen würden. Ich wollte nur eine Geschichte über den Moment erzählen – über Menschen und ihre Probleme, über Politik, Krieg und Wirtschaft.“ Bozzetto tippt mit dem Finger gegen den Tisch, zuckt mit den Schultern. „Ich fühle mich unglaublich geehrt, dass sich Zuschauer auch heute noch in Herrn Rossi wiedererkennen. Aber machen wir uns nichts vor: Letztendlich bedeutet es, dass die Welt in den vergangenen Jahrzehnten nicht besser geworden ist.“

Bozzetto selbst hatte mit dieser Welt zu kämpfen, spätestens als nach 1977 keine weiteren Episoden mehr produziert wurden. Und es lag nicht daran, dass Herr Rossi nichts mehr zu erzählen gehabt hätte: „Irgendwann wurde es schlichtweg eine Frage des Geldes. Ohne einen Produzenten, der bereit ist, in so ein Projekt zu investieren, bringt auch die tollste Idee nichts.“ Bozzetto sagt das ohne Verbitterung oder Früher-war-alles-besser-Haltung, er stellt das einfach nüchtern fest. Gleichzeitig wirkt der Mann auch wie ein frecher Achtjähriger, gefangen im Körper eines rüstigen Senioren. „Momentan arbeiten wir in meinem Studio an ein paar neuen Geschichten und schauen, ob sich die Möglichkeit bietet, das alles auch umzusetzen.“

Mit der heutigen Garde der Trickfilmer und vor allem der Technik des Animationsfilms fremdelt der Zeichner dennoch – trotz aller Freude, die er selbst daran hat. Gerade ist im Renitenztheater Alexandra Maria Lara ausgezeichnet worden für die Synchronisation des Schweinchens Rosita im Trickfilmmusical „Sing“. Und Bozzetto fragt: „Haben Sie das gesehen? Ein fantastischer Film, technisch perfekt, da sitzt jedes Pixel, jede Bewegung und Perspektive. Für mich ist das alles etwas zu viel geworden.“ Und auch das sagt Bozzetto ohne einen Anflug von Bitterkeit. Aber seine Wurzeln liegen in einer anderen Zeit. „Früher wurden solche Filme höchstens einmal im Jahr produziert, und jeder freute sich darauf, endlich mal wieder in die fantastische Welt des Trickfilms einzutauchen. Heute bekommen die Zuschauer fast wöchentlich wahnwitzig gute Filme präsentiert.“

Weshalb die Simpsons unsterblich sind

Altmodisch im besten Sinne, sieht Bozzetto seinen Ansatz und seine Aufgabe nach wie vor an anderer Stelle: „Filmemacher und Zuschauer sind heutzutage verzaubert von Technologie, Perfektion und Fantasy. Mir geht es in erster Linie darum, eine Geschichte zu erzählen. Dann erst mache ich mir Gedanken über die Umsetzung.“

Dass Kinder und Erwachsene gleichermaßen mit Herrn Rossi aufgewachsen sind, liegt da in der Natur der Sache: „Ich hatte nie Interesse, nur Filme für Kinder oder Entertainment für Erwachsene zu machen. Alle sollen die Geschichten mögen und sich darin spiegeln.“ Genau hier zeigt sich auch der Unterschied zwischen dem Versuch, es allen recht machen zu wollen, und der Kunst, etwas zu erschaffen, in dem sich mehrere Generationen wiederfinden. Und wahrscheinlich macht das die Langlebigkeit und Faszination von Zeichentrickfiguren aus: „Die Simpsons sind die ausdauerndste Zeichentrickserie der Welt“, so Signore Bozzetto, „weil sie seit 1989 auf vielen verschiedenen Ebenen Geschichten über uns und unser Leben erzählen.“