Zeichen der Anteilnahme: Das Stuttgarter Neue Schloss in den Farben Belgiens. Foto: dpa

Der 22. März 2016 – ein Tag der schrecklichen Nachrichten: Terror in Brüssel, tödliche Verfolgungsjagd bei Stuttgart. Wie geht man als Nachrichtenkonsument und Betrachter damit um?

Stuttgart - Gute Nachrichten verbreiten sich schneller als schlechte. Das wollen amerikanische Wissenschaftler herausgefunden haben. Sie führen an, dass der Mensch gerne staunt – und sich berühren lässt von Geschichten, die zu Herzen gehen. An Tagen wie dem gestrigen darf man an der Verbreitungsthese zweifeln: Der 22. März war ein Tag der Horrormeldungen. Sie machten schneller die Runde, als man denken kann.

Drei Tote bei nächtlicher Verfolgungsjagd auf den Fildern. Mit dieser Nachricht gingen die Menschen in der Region Stuttgart in den Tag. Kurz darauf „breaking news“ aus Brüssel: Explosionen am Flughafen und in der Metro. Schnell steht fest: Ein Terrorakt. Stunde um Stunde steigen die Opferzahlen.

Kann man da so einfach zur Arbeit fahren? In die Schule gehen? Sich auf den Alltag konzentrieren? Viele können es nicht. Wie damit umgehen? Mehr Sicherheit ist das eine. Doch wie schützt man sich innerlich? So tun, als sei nichts passiert? Unmöglich, wenn sich der Schrecken in unmittelbarer Nachbarschaft abspielt. Brüssel, das politische Zentrum Europas, ist in dieser Hinsicht Nachbarschaft. Man kann sich dem Geschehen nicht entziehen. Das ist Teil des Terror-Kalküls: Verunsicherung verbreiten, Ängste schüren, Alltag zerstören.

Den Dingen ins Auge sehen – so empfindlich die Augen auch sind

Schlechte Nachrichten gehen tiefer unter die Haut als gute und müssen nachbereitet werden. Dazu gibt es keine Studie. Das ist ein Erfahrungswert. Man kann sie nicht einfach so stehen lassen. Sie verlangen nach Erklärungen – und nach Antworten, auch wenn sie schwer zu bekommen sind. Vor allem junge Nachrichtenkonsumenten benötigen Antworten. Sie haben gegen die realen Schrecken keinen Schutz gebildet – soweit man ihn überhaupt je entwickeln kann. Ihre Welt ist oft noch heil. Dennoch wäre es falsch, sie von schlechten Nachrichten abschirmen zu wollen oder zu verharmlosen, was ihnen medial begegnet. Man sollte den Dingen ins Auge sehen – so empfindlich die Augen des jungen Betrachters sind. Nur alleine lassen darf man sie und ihn nicht.

Berichten, was ist, so lautet der journalistische Auftrag. Im nächsten Schritt ist zu erfragen, welche Tragweite hinter dieser und jener Nachricht steckt. Information führt nicht automatisch zur Beruhigung. Aber es ist immer noch die beste Möglichkeit, einschätzen zu können, was vorgefallen ist – und Verunsicherungen entgegenzuwirken. Und dennoch: An Tagen wie dem 22. März wird einem bewusst, wie verletzlich alles ist. Ein unwirklicher Szenario: Draußen beginnt der Frühling, bei Filderstadt rasen Menschen in einen Lkw, in Brüssel explodieren Bomben . . .

Wenn es gleichwohl stimmt, dass sich gute Nachrichten schnell verbreiten, dann sollte folgende Meldung weithin bekannt sein: „In Hessen haben zwei syrische Flüchtlinge einen Politiker der rechtsextremen NPD aus dessen verunglücktem Auto gerettet. Sie gehörten zu einer Gruppe von Asylbewerbern, die zufällig vorbeikam.“ Der schwer verletzte NPD-Mann wird mit den Worten zitiert: „Eine sehr gute, humane Leistung.“ Auch diese Nachricht verbindet sich mit dem 22. März 2016.