Steht unter Druck: Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Foto: dpa

Seit Monaten kommen Fehltritte der Bruchsaler Gefängnisleitung ans Licht, und seit Monaten versucht Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) gegenzusteuern. Doch der Opposition ist das alles zu wenig.

Stuttgart - Fast sechs Stunden lang stand Justizminister Rainer Stickelberger dem Ständigen Ausschuss am Montag Rede und Antwort. Doch auch mit einem umfassenden Bericht über den Hungertod eines Häftlings im Bruchsaler Gefängnis sowie über zahlreiche Fehlleistungen des dortigen Anstaltspersonals ist es ihm nicht gelungen, die Vorbehalte der Opposition gegen seine Vollzugspolitik auszuräumen.

Ja, nicht einmal die Entlassung des langjährigen Vollzugs-Abteilungsleiters in seinem Ministerium wird von CDU und FDP gutgeheißen, im Gegenteil. „Das ist ein Bauernopfer“, sagte der CDU-Abgeordnete Bernhard Lasotta. Und dessen FDP-Kollege, der frühere Justizminister Ulrich Goll, nannte es „zu einfach“, ein oder zwei Sündenböcke zu finden, anstatt im Ministerium „mal die Prozesse anzugucken“.

Dabei wollte Stickelberger nach den fast täglichen Negativnachrichten aus Bruchsal wieder in die Offensive kommen. Das wichtigste sei, dass nie wieder ein Gefangener verhungern dürfe, sagt er am Abend nach der Sitzung. Deshalb habe er unter anderem schon im September die Regeln für die Einzelhaft verschärft.

Vergangene Woche musste der SPD-Politiker allerdings einräumen, dass nicht nur der verhungerte afrikanische Gefangene ungenehmigt in Einzelhaft saß, weil der Antrag dazu ans Ministerium gefehlt hatte, sondern auch ein weiterer Häftling. Ob ein solcher Antrag im aktuellen Fall überhaupt hätte gestellt werden müssen, ist zwar noch unklar und wird derzeit noch geprüft. Doch der Minister hatte von dieser Prüfung zunächst einmal gar nichts erfahren.

Dies gehe aufs Konto des Spitzenbeamten, der deshalb zu Recht gehen muss, befanden Jürgen Filius (Grüne) und Sascha Binder (SPD). Damit sei in der Kontrolle der Gefängnisse ein Neustart möglich. „Stickelberger ist absolut handlungsfähig und hat sein Ministerium im Griff“, sagte Binder. Und Filius befand, die Fehler seien nicht im Justizministerium, sondern in der Bruchsaler Haftanstalt gemacht worden – so gab es dort etwa zwei Fälle, in denen Vollzugsbedienstete sich als Häftlinge verkleidet hatten, um sich einen Spaß aus dem Rollenspiel zu machen.

Filius hielt dem Minister außerdem zu Gute, dass er die Regeln für Einzelhaft nun verschärft und außerdem eine Kommission eingesetzt hat, die den Umgang mit der wachsenden Zahl psychisch auffälliger Gefangener beraten soll.

Die Expertenrunde mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Vollzugspraxis soll erstmals am 15. Dezember tagen und bis Herbst 2015 Empfehlungen erarbeiten.

Dennoch wird damit gerechnet, dass die CDU-Fraktion in ihrer heutigen Sitzung einen Entlassungsantrag gegen Stickelberger beschließen wird. „Der Minister versagt in der politischen Aufklärung, weil er das Thema nicht zur Chefsache gemacht hat“, sagte ihr rechtspolitische Sprecher, Bernhard Lasotta.

Goll wollte hingegen nicht so weit gehen, sondern plädierte dafür die Ermittlungen gegen den (mittlerweile suspendierten) Bruchsaler Gefängnischef abzuwarten. Erst dann könne man einschätzen, ob der afrikanische Gefangene deshalb verhungert sei, weil man sich schlicht nicht um ihn gekümmert habe.

„Natürlich ist in der Anstalt manches aus dem Ruder gelaufen“, so der frühere Justizminister. Doch das sei nur möglich, weil es vermutlich auch Mängel in der ministeriellen Aufsicht gegeben habe.

Stickelberger verwies auf die Maßnahmen, die er eingeleitet habe. Künftig will das Ministerium über jede Einzelhaft unterrichtet werden – unabhängig davon, ob die Isolierung drei Monate und länger andauere und damit genehmigungspflichtig sei oder nicht.

Außerdem habe er Sorge dafür getragen, dass die Aus- und Fortbildung der Bediensteten zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen gestärkt werde. In Kooperation mit dem Sozialministerium werde derzeit ein Konzept erarbeitet.

Nicht zuletzt hätten die Regierung und die sie tragenden Fraktionen für den Doppelhaushalt 2015/2016 die Mittel erhöht. So könnten beispielsweise zusätzliche externe Psychiater engagiert werden.