In der Frage des deutschen Rüstungsexports stehen wichtige Entscheidungen an. Foto: dpa

Wirtschaftlicher Riese, sicherheitspolitischer Zwerg: In den Augen der Partner ist Deutschland auf dem Weg Europas zu mehr militärischer Eigenständigkeit noch ein Wackelkandidat. Die unklare Haltung in der Rüstungspolitik ist dafür ein Beispiel.

Berlin - Auf französische und britische Verärgerung über die Berliner Rüstungsexportpolitik reagiert Kanzlerin Angela Merkel mit einer deutlichen Ansage. „Wir können uns nicht für eine europäische Armee aussprechen, wir können nicht ein gemeinsames Papier verabschieden (...) und anschließend dann sagen, wenn es Gemeinschaftsprojekte gibt und Partner sich auch auf uns verlassen, dass wir dann zu keinerlei Gesprächen bereit sind“, erklärte Merkel in der vergangenen Woche in Paris und richtet sich damit an den Koalitionspartner SPD.

Die Frage, wie es mit den deutschen Rüstungsexporten weitergehen soll, vor allem bei den gemeinsamen europäischen Projekten, birgt erheblichen Sprengstoff. Ein Beispiel ist das Rüstungsexportverbot nach Saudi-Arabien, das nun bis Ende März verlängert wurde. Die Bundesregierung hatte es als Reaktion auf die Tötung des regierungskritischen saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi verhängt.

Deutscher Alleingang

Frankreich und Großbritannien als entscheidende Partner in der Rüstungsindustrie zogen aber nicht mit. Und sie wollen auch nicht akzeptieren, dass sich aus einem moralisch begründeten deutschen Alleingang Folgen für eigene Unternehmen ergeben. Der britische Luftfahrt- und Rüstungskonzern BAE fürchtet um einen bereits angeleierten Auftrag aus Saudi-Arabien für 48 Kampfjets vom Typ Eurofighter.

Das Flugzeug ist ein Gemeinschaftsprodukt von BAE, Airbus und dem italienischen Hersteller Leonardo. Die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH ist ein europäisches Konsortium mit Sitz in Hallbergmoos bei München. Aus der Industrie werden Drohungen ins Spiel gebracht, Produkte notfalls ohne deutsche Anteile zu bauen - „German Free Product“ statt „Made in Germany“.

Freie Hand bei Ausfuhr

Drängender werden auch Fragen aus Paris. Deutschland will mit seinem wichtigsten EU-Partner Großgerät vom Panzer bis zum Kampflugzeug gemeinsam bauen und die militärische Kooperation insgesamt ausbauen. Soll Deutschland, beim Verkauf von Waffen traditionell restriktiv, weiterhin die Rote Karte zücken dürfen? Ein Eckpunktepapier sieht vor, dass sich beide Länder bei der Ausfuhr in sogenannte Drittländer außerhalb von EU und Nato weitgehend freie Hand lassen wollen. Ist dann Deutschland moralischer Sieger und Frankreich der Verkaufschampion?

Eine abgestimmte Rüstungsexportpolitik als Teil einer EU-Außenpolitik könne „nicht darin bestehen, dass wir eins zu eins die laxe Exportpraxis der Franzosen, Briten oder gar Italiener übernehmen“, schrieb SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich in der Parteizeitung „Vorwärts“ zusammen mit Arne Lietz, im Europaparlament SPD-Verteidigungspolitiker. Die Forderungen der Union nach einer Lockerung der strengen Rüstungsexportrichtlinien seien ein „durchsichtiges Täuschungsmanöver, um die strengen deutschen Exportrichtlinien unter Verweis auf europäische Zwänge auszuhebeln“.

Widerstrebende Aspekte

Für die Kanzlerin stehen beim Thema Rüstungsexporte mindestens vier teils widerstrebende Aspekte im Hintergrund: Ihr Ziel, die EU angesichts der nationalistischen Politik von Donald Trump und der Machtverschiebungen auf dem Globus gerade im Verteidigungssektor stärker zu machen, die Menschenrechte, die internationale Verlässlichkeit der Bundesregierung und deutsche Arbeitsplätze.

Menschenrechte sind ihr wichtig - man wird Merkel glauben können, wenn sie dies immer wieder ihren Kritikern entgegenhält, die der Kanzlerin ein zu leisetreterisches Vorgehen attestieren. Doch zugleich hält sie es für zu kurz gedacht, fremde Regierungen im arabischen Krisenbogen, Afrika oder China nur nach westlichen Maßstäben von Menschenrechten oder Pressefreiheit zu beurteilen.

Rolle von Saudi-Arabien

Beispiel Saudi-Arabien: Das Land bewahrt mit seiner Finanzkraft Nachbarländer in der Region vor dem Kollaps, gilt vielen trotz des grausigen Mordes an Kashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul immer noch als Stabilitätsanker. Auch diesen Gesichtspunkt dürfte Merkel in der Diskussion über die Verlängerung des Rüstungsexportstopps an das Land nicht außer Acht lassen wollen.

Schließlich sei Saudi-Arabien ein souveräner Staat, der auch wegen der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm eigene Sicherheitsinteressen habe - die vom Westen nicht ignoriert werden könnten, lautet eine Einschätzung in Berlin. Teheran werde vor Riad kaum mehr Respekt haben, wenn es seine Waffen nicht modern halte.

Streitfall Kashoggi

Neue Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte an Saudi-Arabien dürfte auch Merkel derzeit nicht für realistisch halten - wegen des immer noch ungeklärten Mordes an Kashoggi und der Rolle Riads im Jemen-Krieg. Und ob bereits genehmigte Exporte wie jene der 20 Patrouillenboote der Wolgaster Peene-Werft noch abgewickelt werden können, steht angesichts des Exportstopps auch in den Sternen.

Ob Merkel die SPD überzeugen kann? Mit dem Verbot von Rüstungslieferungen haben die Sozialdemokraten ein bei vielen Bürgern populäres Profilierungsthema ausgemacht. Beim Koalitionsausschuss am 14. März dürfte dieses Thema ordentlich für Kontroversen sorgen.