Abräumen: der Union Jack weht nicht mehr lange auf europäischen Konferenztischen. Foto: dpa

Die Mehrheit der Briten will sich von der EU lösen. Die Abstimmung in Großbritannien sorgt in Europa für Entsetzen. Dabei hat der Ausstieg auch Vorteile – eine etwas polemische Betrachtung.

Stuttgart - Schluss mit Jammern und Wehklagen! Der Abschied der Briten von der EU hat doch schlagende Vorteile. Wie ist uns die Nörgelei der britischen Politiker auf die Nerven gegangen ist. Das „No, no, no“ von Maggie Thatcher klingt uns wie Tinnitus im Ohr oder das ständige „We want our money back!“ Den einst von Thatcher eingeführten Britenrabatt bei den Zahlungen an die EU gibt es in leicht abgemilderter Form übrigens immer noch, ein Unding. Damit ist jetzt Schluss.

Ja, der Euro ist abgestürzt. Aber noch tiefer ist das britische Pfund gefallen, und das lässt unser Herz als Tourist höher schlagen: England wir kommen, wir stürmen im Sommer die Strände bei Cardiff und können uns als Großfamilie endlich Madam Tussauds, London Eye und den Tower leisten. Die Schlangen vor diesen „Sights“– darauf könnt Ihr Briten Euch verlassen – werden noch länger. Im Gegenzug ist es uns eine Freude zu hören, dass englische Hooligans in Zukunft vermutlich einen Besuch des Festlands wegen des starken Währungsgefälles stornieren müssen. Ebenso wird die Zahl der rothäutigen, mit nacktem Oberkörper auf Biertischen von Mallorca oder in griechischen Tavernen tanzenden und singenden Engländern gottlob abnehmen – wird für sie zu teuer.

Prügelstrafe für englische Schüler gab es bis 1986

Auf der anderen Seite haben wir Europäer eine gewisse Mission auf der Insel ja erfüllt, Sitten und Manieren eingeführt. In seiner Zeit als EU-Mitglied hat Großbritannien beispielsweise 1985 die Fuchstreibjagd mit der Hundemeute verboten und ein Jahr später sogar die Prügelstrafe an staatlichen Schulen abgeschafft – welch ein Fortschritt.

Oder schauen wir mal auf Industrie und Banken. In Frankfurt, Paris und Luxemburg reiben sich die Finanzinstitute doch schon die Hände – da kommen internationale Aufträge auf sie zu, wenn London die „Splendid Isolation“ wünscht, bitteschön. Oder nehmen wir die Autofabriken. Kann eigentlich jemand erklären, warum James Bond einen Aston Martin fährt und keinen Jaguar? Das in nennenswerten Stückzahlen gefertigte Modell Mini aus Großbritannien gehört übrigens längst einem deutschen Autokonzern. Wenn es sein muss, könnt ihr den zurückhaben.

Man wird in Mitteleuropa künftig weniger über das Vereinigte Königreich berichten. Hat auch Vorteile, wenn unsere Presse beispielsweise seltener ein Foto vom rechtspopulistischen Oppositionspolitiker Nigel Farage drucken muss, der angesichts von Fotografen meistens ein Pint trinkt und ausschaut, als ob er in die Kamera beißen will.

Sie sind eine Inselnation – genau wie Tuvalu und die Fidschis

David Cameron hat einmal den schönen Satz gesagt, Großbritannien habe den „Charakter einer Inselnation“. Richtig, von daher ist es im Commonwealth gut aufgehoben, da sind auch andere Inselstaaten wie Jamaika, Tuvalu oder die Fidschi-Inseln drin. Im übrigen: Der Fall Brexit zeigt, dass Zuspätkommern nie zu trauen ist. Erst 1973 ist das Vereinigte Königreich zur EWG gekommen – 16 Jahre nach den Römischen Verträgen. Das einzige was wir uns vorzuwerfen haben ist, dass wir damals kein Referendum abgehalten haben darüber, ob wir sie überhaupt reinlassen wollen.