Breuninger in Stuttgart – Im Juli will das Oberlandesgericht entscheiden, wem die Kaufhauskette künftig gehört. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Bereits in zweiter Instanz streiten sich drei Männer vorm Stuttgarter Oberlandesgericht um die Anteile an der Nobel-Kaufhauskette Breuninger. Das Recht auf die Beteiligung gründet auf einer geheimen Vereinbarung, sagt der Kläger. Doch da gibt es ein Problem.

Stuttgart - Nachts war Heinz Breuninger nicht mehr der erfolgreiche Geschäftsmann. Da ließ der leistungsorientierte Unternehmer, der lange Jahre Chef der gleichnamigen Kaufhauskette war, seinen Fahrer kommen. Stundenlang musste er ihn durchs Dunkle fahren, auf die Schwäbische Alb hinauf und wieder zurück. Weil der 1980 verstorbene Erfolgsmensch nur beim Fahren einschlafen konnte.

Auch solche Geschichten erzählten die insgesamt 16 Zeugen beim Prozess um die Anteile an der Kaufhauskette Breuninger. Dort geht es bereits in zweiter Instanz um die Frage, ob dem Stuttgarter Jurist Wolfgang Blumers ein Anteil an der Kaufhauskette zusteht. Bislang halten der einstige Breuninger-Chef Willem van Agtmael und Breuningers Testamentsvollstrecker, der Jurist Wienand Meilicke, die Mehrheit der Anteile (je 40 Prozent, den Rest halten die Familien Bretschneider/Seidel).

Blumers sagt, auch ihm stehe ein Anteil an der Nobel-Kaufhauskette zu. Dies gehe zurück auf eine geheime Absprache, die die Männer getroffen haben, als sie das Unternehmen 2004 umstrukturiert haben. Obwohl es dazu keinen schriftlichen Vertrag gibt, hat das Landgericht Blumers im Januar 2014 in erster Instanz einen Anteil von zehn Prozent am Unternehmen zugesprochen. Am 20. Juli steht nun der Verkündungstermin der zweiten Instanz an. Bislang gebe es Punkte, die „dem Vortrag des Klägers etwas von seiner Überzeugungskraft“ nehmen würden, sagte Agnes Aderhold, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, beim Abschluss der Zeugenvernehmung.

Heinz Breuninger war von seiner Familie enttäuscht

Die Zeugen erzählen die Geschichten aus dem Innenleben von Heinz Breuninger, weil es im Kern genau darum geht. Es geht um die Frage, was sich Heinz Breuninger für die Zukunft seines Unternehmens gewünscht hat. Walther Zügel, der einstige Stuttgarter Bankmanager war ein Vertrauter Breuningers. Beim Abschluss der Beweisaufnahme am Mittwoch hat er den Unternehmer als einen Mann beschrieben, der mit vielem in seinem Leben zu kämpfen hatte. „Er war sehr betroffen vom Tod seines Sohnes“, sagte Zügel. Mitte der 1960er Jahre verstarb dieser bei einem Lawinenunglück. Ihn hatte er als seinen Nachfolger an der Unternehmensspitze vorgesehen.

Vom Rest der Familie war Breuninger enttäuscht. „Er nahm es der Familie übel, dass sie sich nicht befähigt hat, ins Unternehmen einzutreten“, sagte Zügel. Die einzige Ausnahme war Helga Breuninger, seine spätere Alleinerbin. Auch ihr traute er jedoch nicht die Unternehmensleitung zu, sondern übertrug ihr die gemeinnützige Arbeit in einer Stiftung.

Weil die Familie keine Option war, wählte Breuninger vor seinem Tod 1980 eine Stiftungskonstruktion, in der sein Vermächtnis verwaltet und das Unternehmen erfolgreich weitergeführt werden sollte. Bis 2004 lag der 80-Prozent-Anteil von Meilicke und van Agtmael an der Kaufhauskette in der gemeinnützigen Breuninger Stiftung. Diese gehörte zu 100 Prozent der übergeordneten Heinz Breuninger Stiftung. Vorstände dieser Stiftung waren Wienand Meilicke, Willem van Agtmael, Wolfgang Blumers, Benno Stratmann und Theo Henselijn.

„Da war irgendetwas“

2004 lösten die Vorstände die Stiftung auf. Dadurch fiel der Breuninger-Anteil der Alleinerbin Helga Breuninger zu. Sodann verkaufte Helga Breuninger diesen Anteil zu je 40 Prozent an Meilicke und van Agtmael. Den Preis von 41,1 Millionen Euro bezeichnete das Landgericht als „Freundschaftspreis“. Die Männer formulierten damals mündlich den Wunsch, dass bis 2011 auch die restlichen drei Vorstände am Unternehmen beteiligt werden sollen. 2011 aber kam es zu einem Streit über die Konditionen der Beteiligung, eine Übertragung fand nicht statt, und Blumers reichte Klage beim Landgericht ein.

Die Streitparteien sind sich einig darüber, dass es ursprünglich die Absicht gab, dass alle fünf Stiftungsvorstände die Kaufhauskette übernehmen sollten. Laut Meilicke und van Agtmael erkannten Stratmann und Henselijn jedoch bald, dass sie sich diese Investition finanziell nicht leisten können. Blumers dagegen sah sich in einem Interessenkonflikt. Er war damals Partner bei der Kanzlei Gleiss Lutz. Die Kanzlei wiederum zählte Breuninger zu ihren Kunden. Es widerspricht den Grundsätzen der Sozietät, dass ihre Anwälte sich bei Mandanten finanziell engagieren. Also konnte Blumers bei dem Deal auf keinen Fall als Käufer in Erscheinung treten. Intern allerdings, so die Version von Blumers, habe man folgende Vereinbarung getroffen: Alle fünf Vorstände werden als Erwerberkonsortium zu gleichen Teilen an Breuninger beteiligt; nach außen in Erscheinung treten als Erwerber jedoch nur Meilicke und van Agtmael. Sie sollen die Anteile ihrer Kollegen so lange verwalten, bis sich auch die restlichen Vorstände als Anteilseigner outen können. Dies sollte spätestens nach sieben Jahren, also 2011 der Fall sein. So weit die Vereinbarung aus der Sicht von Blumers. Unser Zeitung liegt ein Papier vor, das mit den Worten „Beschluss, Vereinbarung und Absichtserklärung“ überschrieben ist. Dort heißt es: „Die Herren / Familien Blumers, Henselijn und Stratmann werden spätestens am 30. März 2011 Gesellschafter der BSG -Beteiligungs-GmbH“ – damit ist die Kaufhauskette gemeint.

Auch nach dem Urteil des Oberlandesgerichts wird der Streit wohl nicht vorbei sein

„Es gibt aus unserer Sicht schon Dinge, die für Blumers sprechen“, sagte Aderhold. „Wir stellen fest, dass sehr lange daran gearbeitet wurde, um die anderen Stiftungsvorstände als Gesellschafter aufzunehmen“, so die Vorsitzende Richterin. „Da war irgendetwas.“ Ob aus dieser Absprache – aus diesem „Irgendetwas“ – jedoch ein rechtlicher Anspruch abgeleitet werden kann, ist die Kernfrage des Prozesses.

„Unseres Erachtens hat keiner der Zeugen ausdrücklich bestätigt, dass es eine solche Vereinbarung gegeben hätte“, sagte Aderhold am Mittwoch. Sie sei verwundert, dass ausgerechnet zu diesem zentralen Punkt kein Vertrag vorliege, obwohl in dem ganzen Verfahren rund um die Auflösung so unglaublich viel geschrieben worden sei. „Es fällt auch auf, dass ungeheuer viel geprüft worden ist im Verlauf der Auflösung.“ Es lägen aber keine Prüfvermerke vor im Hinblick auf eine etwaige Treuhandgesellschaft oder eine Innengesellschaft. „Auch das ist ein Indiz, das eher gegen die Position des Klägers spricht.“

Im Juli wird das Gericht entscheiden, ob die Breuninger-Eigner unter sich bleiben oder einen neuen Gesellschafter bekommen. Doch auch dann wird der Streit wohl nicht zu Ende sein: Die Klägerseite hat bereits die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof beantragt.