Der vorerst letzte Stand der Planung für das Quartier am Karlsplatz: ... Foto: Breuninger/Behnisch Architekten

Die Neubebauung am Karlsplatz bleibt ein schwieriges Projekt. Das Architekturbüro Behnisch hat die Pläne zwar verbessert. Bei der Dachlandschaft erwarten die Stadträte aber weitere Korrekturen.

Stuttgart - Der bauliche Wandel zwischen Karlsplatz und Kaufhaus Breuninger wird kommen, aber er lässt lang auf sich warten. Am 1. September 2012 werde man die Neubauten übergeben, sagte Breuninger-Chef Willem G. van Agtmael, als er 2007 das damals „Da Vinci“ betitelte Projekt vorstellte. Bisher tat sich baulich wenig. Seit Dienstag sind neue, vage Termine im Gespräch.

Vom Hauptsitz des Innenministeriums, der dem Projekt weichen wird, werden die Mitarbeiter „mit Sicherheit nicht mehr in diesem Jahr“ in den Neubau an der Willy-Brandt-Straße umziehen, sagte Städtebaubürgermeister Matthias Hahn (SPD). Der Umzug finde wohl im ersten Quartal 2013 statt. Das Finanzministerium, das für die Liegenschaften des Landes zuständig ist, spricht von „den ersten Wochen des Jahres 2013“. Der Abbruch des Gebäudes Dorotheenstraße 6 dürfte in der zweiten Hälfte 2013 stattfinden, meint Hahn. Bis dahin werde Breuninger das Gebäude vorübergehend nutzen, zumal für die Neubauten erst das Baurecht geschaffen und die Genehmigungsplanung erarbeitet werden muss.

Markthalle wird nicht mehr verstellt

Noch überzeugt die Planung den Gemeinderat aber nicht restlos. Seit April, als Breuninger eine leichte Version des Projekts mit 38 000 statt vormals 49 000 Quadratmeter oberirdischer Geschossfläche präsentierte, nahm der Architekt Stefan Behnisch erneut Korrekturen vor. Am Dienstag erläuterte er sie dem Ausschuss für Umwelt und Technik.

Die Baumasse bleibt gleich. Auch bei der Planung von drei statt ursprünglich zwei Gebäudekomplexen und der Erhaltung des ehemaligen Hotels Silber bleibt es. Die Tiefgaragenzufahrt von der Holzstraße aus soll nun aber viel kompakter ausfallen und weniger in den öffentlichen Raum eingreifen. Von den beiden Gebäudekomplexen, die anstelle des Hauses Dorotheenstraße 6 entstehen, rückt das künftige Nebengebäude der Markthalle um 2,50 bis drei Meter vom Karlsplatz in Richtung Breuninger – dadurch wird der Blick aus der 4,50 Meter tiefen Arkade des anderen Neubaus zum Vorzeige-Erker der historischen Markthalle nicht mehr verstellt. Die versetzten Fassaden der Neubauten knüpfen thematisch an die Vor- und Rücksprünge der Markthallen-Fassade an und beleben das Stadtbild, sagte Behnisch. Auch die Arkaden der Markthalle und eines Neubaus ergeben eine thematische Verbindung. Eine überdachte Fußgängerpassage auf dem Areal entfällt. Die größten Dachmassen werden vom Karlsplatz weg in Richtung Breuninger verlegt. Für die Dachlandschaft schlägt Behnisch jetzt neben Loggien, Balkonen und Wintergärten im inneren Bereich der Bebauung auch grüne Dachgärten für Beschäftigte und Bewohner vor. Die Mieter der Wohnungen sollen die Gärten pflegen.

Stein und Glasfassaden

Beim Materialmix hat Behnisch die Pläne auch verfeinert. Entsprechend den Abmessungen der Markthalle will er bei deren Nachbargebäude mit Stein operieren, dahinter zum Sporerplatz hin sowie weiter oben mit Glasflächen. Er denkt an bedrucktes Glas, das zwar nicht transparent sein werde, aber auch nicht wie eine gekippte Fassade in Erscheinung trete.

Manche Änderungen gefielen den Stadträten gut. Vor einer Schmuddelecke in Form einer Passage müsse man nun keine Furcht mehr haben, sagte Peter Pätzold (Grüne). Auch die skulpturalen Fassaden mit einem Spiel von Licht und Schatten seien vielversprechend. An der Dachlandschaft müsse man noch arbeiten. Roswitha Blind (SPD) forderte, dass die Fassadengestaltung die neuen Gebäude „wie Geschwister“ präsentiere, nicht wie identisch aussehende Drillinge. Um das Erscheinungsbild der Dachlandschaft beurteilen zu können, brauche man weitere perspektivische Darstellungen, meinte Blind wie andere Stadträte. Gangolf Stocker (SÖS) pflichtete der SPD bei. Das bisher Geplante könne sehr interessant werden, aber auch sehr hässlich. Alexander Kotz (CDU) sah Behnisch auf einem hervorragenden Weg. Günter Stübel (FDP) fand, es sei „an der Zeit, einen Knopf dranzumachen“. Der Entwurf sei gut und baureif.

Das sieht Erhard Bruckmann vom Verschönerungsverein der Stadt Stuttgart anders. Vor der Sitzung hatte er gewarnt, die Massivität und Dominanz des bisher Geplanten würden einen Fremdkörper im historischen Stadtkern und Frevel bedeuten. Nach der Sitzung sagte er, Behnisch habe einige Verbesserungen vorgestellt – aber nicht beim entscheidenden Punkt: den von Stuttgarts Hängen bestens einsehbaren Dächern. Für ihn sei fraglich, ob man die Dachgärten hier der „privaten Nutzung anheimgeben darf“. Womöglich drohten Wäscheständer und Buchsbäume. Die geplante Dachmasse sei schwerlich mit der Umgebung des historischen Stadtkerns vereinbar. Breuninger sowie das Land als Büromieter würden den Plan „um der Liebe zur Stadt willen hoffentlich noch einmal überdenken“ und ändern.

Hahn kündigte an, dass für den geplanten Bebauungsplan noch 2012 der Auslegungsbeschluss gefasst werden soll. Um die komplexen Bedingungen zu regeln, brauche man aber wohl auch einen Vertrag mit Breuninger. Eine gewisse Flexibilität solle gewährleistet bleiben. „Es wird weitere Änderungen geben“, sagte er. In fünf bis sechs Wochen soll Behnisch wieder berichten.