Jogi Löw und der DFB wollen Geschichte schreiben. Foto: dpa

8. Juli 1990: Deutschland wird in Italien zum dritten Mal Weltmeister. 8. Juli 2014: Deutschland spielt in Brasilien gegen das ganze Land um die Endspiel-Teilnahme. Ein historischer Tag für eine noch ungekrönte Fußball-Generation um Lahm und Schweinsteiger.

8. Juli 1990: Deutschland wird in Italien zum dritten Mal Weltmeister. 8. Juli 2014: Deutschland spielt in Brasilien gegen das ganze Land um die Endspiel-Teilnahme. Ein historischer Tag für eine noch ungekrönte Fußball-Generation um Lahm und Schweinsteiger.

Belo Horizonte  - Jetzt oder nie - Deutschlands noch ungekrönte Generation um die Turnier-Veteranen Miroslav Klose, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski fühlt die historische Chance auf den WM-Triumph. Zwar schiebt Joachim Löw den Brasilianern auch ohne Superstar Neymar die Favoritenrolle zu. Aber vor der „Gelben Wand“ im Stadion von Belo Horizonte zittern die deutschen Spieler nicht.

„Unsere Mannschaft hat keine Angst“, versprach der Bundestrainer am Montag vor der Reise nach Belo Horizonte den aufgeregten Fans in der Heimat. Er gehe mit einem „sehr guten Bauchgefühl“ und einem klaren Ziel in das Spiel der Spiele: „Eines steht fest: Wir wollen unbedingt noch mal in Rio im Maracanã-Stadion spielen. Am 13. Juli. Wir sind noch nicht fertig.“

Die Spieler können den Anpfiff am Dienstag (22.00 Uhr/ZDF) kaum erwarten. „Umso erfahrener man ist, umso mehr saugt man so ein Spiel auf gegen den Gastgeber in so einem fußballverrückten Land. Man geht mit Freude in so ein Spiel“, sagte Bastian Schweinsteiger vor seinem 107. Länderspiel. „Es gibt kein anderes Ziel mehr als das Finale und den Titel für uns“, gab sich Edeljoker André Schürrle forsch. Ans Scheitern wird kein Gedanke verschwendet. „Wir werden alles dafür geben, dass wir ins Finale kommen“, erklärte Jérome Boateng.

„Wenn sie das Halbfinale verlieren, ist das Volk schon unzufrieden.“

Löw weiß, dass die fünf vorangegangenen WM-Partien ein Kindergeburtstag waren im Vergleich zur Titel-Prüfung gegen die Brasilianer, die auf den Heimtriumph gepolt sind und ihr gesamtes Volk im Rücken haben. „Wir spielen nicht nur gegen elf Brasilianer auf dem Platz, wir spielen gegen das ganze Land“, sagte der Bundestrainer im ARD-Hörfunk und legte geschickt die Rollen fest: „Der Druck liegt ganz klar bei Brasilien. 200 Millionen Menschen, Fußball-Land, Rekordweltmeister, zu Hause - die Favoritenrolle hat schon Brasilien“, sagte Löw. „Wenn sie das Halbfinale verlieren, ist das Volk schon unzufrieden.“

So soll es in 90, 120 Minuten oder notfalls in einem Elfmeter-Krimi kommen: „Wir haben schon Mittel und Wege und Qualitäten, die Brasilianer nach Hause zu schicken“, sagte Löw selbstbewusst. Der 54-Jährige erklärte bereits die letzte Etappe gegen den WM-Gastgeber vor der angestrebten Krönung zum Höhepunkt in der Karriere jedes einzelnen. „Man kann sich eigentlich nichts Schöneres wünschen, vielleicht noch das Finale dann zu gewinnen. Das Halbfinale hat schon eine unglaubliche Spannung und Vorfreude in sich.“ Diese Chance gebe es höchstens alle vier Jahre, 2006 und 2010 scheiterten Lahm und Co. jeweils kurz vor dem Ziel. „Ein Halbfinale oder Finale ist was, das ist von gar nichts anderem zu toppen, das ist das Allergrößte“, schwärmte der Bundestrainer mit Pathos: „Da wird Geschichte geschrieben, das ist auch für die Spieler etwas Einmaliges.“

"Das wird große Kräfte freisetzen"

Ein Brasilien ohne Neymar und ohne den gesperrten Leitwolf Thiago Silva ist in seiner Wucht empfindlich geschwächt und in der Statik des Spiels beeinträchtigt. Trotzdem warnte nicht nur Löw vor Trugschlüssen für die ultimative Turnier-Kraftprobe. „Das wird große Kräfte freisetzen bei den Brasilianern. Die werden jetzt nicht rumjammern, weil Neymar fehlt oder Silva fehlt. Alle anderen Spieler werden noch mehr Verantwortung übernehmen. Sie sagen, jetzt erst recht, wenn ihr Superstar ausfällt“, prophezeite Löw.

Der begabte Willian vom FC Chelsea oder der nur 1,63 Meter kleine Youngster Bernard von Schachtjor Donezk könnten für Neymar in die Startelf rücken. Die Klasse des verletzten WM-Stars haben beide nicht. Bayern-Profi Dante dürfte Thiago Silva im Abwehrzentrum vertreten. „Mich würde es freuen, wenn Dante spielt“, erklärte Schweinsteiger: „Wir kennen ihn ganz genau, er kennt uns auch.“
Große Geheimnisse gibt es ohnehin nicht vor der vom deutschen Team angestrebten Revanche für die Niederlage im Finale 2002, dem einzigen Duell beider Nationen bei einer WM-Endrunde. Löw hat gegen Frankreich seine Formation endlich gefunden. Mit Kapitän Lahm rechts und dem sich entschlossen ins Turnier quälenden Duo Schweinsteiger und Sami Khedira im Mittelfeld. „Es ist wichtig, dass die zwei Spieler wieder zu hundert Prozent fit sind. Dann helfen sie der Mannschaft auch weiter“, betonte Lahm. „Ich bin bereit“, versicherte Schweinsteiger, notfalls auch für 120 Minuten und womöglich ein Elfmeterschießen.

"Das Kollektiv ist entscheidend"

„Wir wollen einfach ins Finale jetzt“, sagte Kraftpaket Boateng. Auf den Tag genau 24 Jahre nach dem letzten der drei deutschen WM-Titelgewinne am 8. Juli 1990 in Rom will die „Generation 2014“ füreinander durch die Hölle gehen. „Wenn man sieht, einer braucht ein bisschen Hilfe, dann rennt der andere ein paar Meter mehr“, sagte Boateng. Egoismen werden unterdrückt, etwa von dem in den ersten vier Partien gesetzten Abwehrchef Mertesacker, den Löw plötzlich auf die Bank beorderte. „Es geht nicht immer um eine Person, um Per oder einen anderen Spieler, sondern darum, dass Deutschland Weltmeister wird“, verkündete Schweinsteiger: „Das Kollektiv ist entscheidend!“

Herausragende Einzelkräfte wie Torwart-Gigant Manuel Neuer, der unermüdlich schuftende Torjäger Thomas Müller, aber auch Kopfballschreck Mats Hummels könnten die entscheidenden Vorteile für die DFB-Elf sein. „Der Glaube an den Titel ist da. Es sind noch zwei Spiele. Wir haben schon fünf Spiele hinter uns und keines verloren. Das Selbstvertrauen ist groß“, hob Kapitän Lahm hervor.
670 Länderspiele haben die elf Akteure auf dem Buckel, die Löw wie gegen Frankreich beginnen lassen könnte - ein Qualitätssiegel. „Wir sind reifer. Viele Spieler, die vor zwei oder vier Jahren noch jünger und ein bisschen grüner hinter den Ohren waren, sind erfahrener geworden“, bemerkte Boateng. Löw will auch am viel kritisierten Mesut Özil festhalten, dessen Magie verflogen scheint. „Für mich ist Mesut einfach ein wahnsinnig wichtiger Spieler. Er ist hochbegabt, er kann Spiele entscheiden“, verteidigte der Bundestrainer den 25-Jährigen.

Jetzt oder nie! „Wir müssen einfach realisieren, dass wir eine Riesenchance vor der Brust haben“, sagte Mertesacker. Auch die personell geschwächten Argentinier mit Weltstar Lionel Messi und die Holländer mit Angriffs-Maschine Arjen Robben wären im Endspiel kein furchteinflößender Gegner. Aber erst kommt Brasilien. Einen offenen Schlagabtausch erwartet Klose, der als einziger Akteur schon 2002 in Japan dabei war, jedoch nicht: „Ein Halbfinale ist ein taktisches Geplänkel.“ Klar ist: Nach dem 8. Juli 1990 soll auch der 8. Juli 2014 als besonderes Datum in die deutsche Fußball-Historie eingehen.