Blick auf die abgebrannte Gartenhütte bei Winterbach im Rems-Murr-Kreis. Foto: dpa

Einige Angeklagte setzen sich nach dem Brandanschlag in Winterbach von der rechten Szene ab, andere bleiben bei ihrer „patriotischen Einstellung“.

Stuttgart/Winterbach - Es ist der zweite Tag bei „Winterbach 2“, wie das Landgericht den zweiten Prozess zum Brandanschlag vom 10. April 2011 nennt. Doch auch der Verhandlungstag am Montag, an dem statt 60 wie in der vergangenen Woche nur noch knapp 15 Zuhörer im Saal saßen, brachte keine Aufklärung, wer denn nun tatsächlich zu dem rechten Mob gehörte. Zu jenen Neonazis, die in jener Nacht die jungen Migranten über die Streuobstwiese gehetzt, dann die Gartenhütte mit den fünf eingesperrten Migranten angezündet hatten.

Die Vorsitzende Richterin der Großen Jugendkammer 3 a, Eva Maria Keck, befragt die zwölf Angeklagten nach ihren persönlichen Verhältnissen. Auffällig in den Antworten der acht Aussagewilligen ist, wie stark sie einerseits ihren seinerzeitigen Alkoholkonsum hervorheben, um dann zu versichern, dass sie seitdem kaum mehr einen Tropfen angerührt hätten. Ebenso erwähnenswert: Die meisten haben Hauptschulabschluss und abgeschlossene Lehre, auch gelegentliche Jobwechsel oder Ärger mit dem Meister, aber totale Abstürze sind selten.

„Das ganze Politische ist mir jetzt egal, weil ich nach mir, nach Ausbildung und Job gucken will“

Da ist etwa jener 18-Jährige aus den Berglen, der vor kurzem noch mit einem Kumpel in eine Wohnung nach Waiblingen oder Fellbach ziehen wollte, „um von diesen Rechten in Berglen wegzukommen und was Neues anzufangen“. Denn: „Entschuldigung, wenn ich das jetzt so sage, aber Berglen ist doch ein einziges Kuhkaff, da ist nix los, ich wollte weg.“ Mit 14 oder 15 sei er in die rechte Szene geraten und habe im Ort an den üblichen Hauspartys teilgenommen. In jenem Alter habe er auch mit dem Alkohol angefangen, so zehn bis zwölf Bier und ein, zwei Gläser Wodka an einem Samstagabend in der Regel.

Habe er sich nicht selbst einmal als „rechten Skinhead“ bezeichnet? Auf die Frage der Richterin entfährt ihm ein spontanes „Echt?“ Und er schiebt sofort nach: „In der Zwischenzeit: Nein“. Er sei mittlerweile „ein normaler Mensch“.

Politische Gesinnung? „Keine mehr, das ganze Politische ist mir jetzt egal, weil ich nach mir, nach Ausbildung und Job gucken will“, sagt der junge Mann, der bis vor kurzem in der A-Jugend im Dorfverein Fußball spielte und in der Jugendfeuerwehr aktiv war. Im Knast gehe es ihm „bescheiden“.

Anfangs habe er nur sieben oder acht Stunden geschlafen – in der Woche. „Ich hatte nie Vorstrafen oder Ärger mit der Polizei – und von einem Tag auf den anderen heißt es: Ab in den Knast; das war zu viel.“

Alkohol trinke ich seit einem Jahr überhaupt keinen mehr“

Ein anderer Angeklagter aus dem Raum Leonberg möchte den Namen seines Arbeitgebers, bei dem er seit fünf Jahren beschäftigt ist und „der an mir festhält, weil er mit mir zufrieden ist“, nicht öffentlich in der Verhandlung nennen. Für den Hitlergruß und „Sieg-Heil-Rufen“ nach einem Kneipenbesuch setzte es mal Geldbußen, „ich war halt in einem betrunkenen Zustand“. Und die politische Einstellung? „Die würde ich als patriotisch bezeichnen.“

Nächster Angeklagte, selbe Frage. Antwort: „Die würde ich als patriotisch bezeichnen.“ Auch dieser 25-Jährige erklärt: „Alkohol trinke ich seit einem Jahr überhaupt keinen mehr.“ Davor waren es oft ein Kasten Bier und eine Flasche Schnaps am Wochenende. Wegen der Alkoholräusche hatte er mit 2,4 Promille nicht nur Ärger mit den „Scheißbullen“, was ihm eine Geldstrafe über 600 Euro einbrachte, sondern die damalige Freundin trennte sich auch von ihm. Mittlerweile habe er eine neue Freundin, eine 25-jährige Amerikanerin mit zwei kleinen Kindern. Aus der NPD sei er mittlerweile ausgetreten. „Weil ich eine ausländische Freundin habe, distanziere ich mich von dieser Sache und von diesen Taten.“

Der Prozess am Landgericht Stuttgart wird an diesem Donnerstag fortgesetzt.