Gespenstisch: Vermummte Brandstifter nehmen das Gebäude des Moscheevereins ins Visier. Foto: Fotoagentur Stuttgart

Brandsätze fliegen ins Gebäude, ein Böller explodiert: Der Kurden-Konflikt in der Türkei ist am Dienstag bei der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Feuerbach aufgeflammt. Eine Überwachungskamera filmt die Tat.

Stuttgart - Die Videoüberwachung hinkt ihrer Zeit etwas hinterher. Um 22 Minuten. Für sie ist es noch 1.17 Uhr, als um 1.39 Uhr verdächtige Gestalten aus dem Dunkeln in der Mauserstraße in Feuerbach in den Fokus der Kamera geraten. Vier Vermummte nehmen eine Buchhandlung im Gebäude des Türkisch-Islamischen Moscheevereins (Ditib) ins Visier. Einer nimmt Pflastersteine auf und zertrümmert zwei Fenster. Die anderen entzünden Molotow-Cocktails und werfen die Brandsätze ins Innere. Einer zündet noch einen überdimensionalen Böller.

Die Feuerwehr, um 1.54 Uhr alarmiert, geht mit zwei Löschzügen gegen die Flammen im Gebäude vor. Zwei Personen hatten sich bereits selbst ins Freie gerettet. Verletzt wurde niemand, der Schaden wird zunächst auf 80.000 Euro geschätzt. Offenbar sind die Konflikte in der Türkei der Hintergrund. „Das sind aber Spekulationen“, erklärt Polizeisprecher Olef Petersen, „das liegt nahe, aber wir ermitteln in alle Richtungen.“

In der Ditib-Moschee herrscht Fassungslosigkeit

Indizien gibt es viele. Wenige Stunden vor dem Anschlag, am Montag gegen 20.30 Uhr, hatte es eine prokurdische Kundgebung vor dem türkischen Generalkonsulat am Kernerplatz gegeben. Und dann ist da noch der Aufruf einer PKK-nahen Jugendorganisation, „hier in Europa auch aufzustehen“. In Diyarbakir in Südostanatolien sollen zwei Jugendliche von türkischen Sicherheitskräften erschossen worden sein.

Am Dienstag, nach dem Mittagsgebet, herrscht vor der Ditib-Moschee in der Mauserstraße in Feuerbach Fassungslosigkeit. Die verwüsteten Räume in dem gehören dem Moscheeverein, dessen Dachverband vom Ministerium für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei gesteuert wird. Der Verein hat die Räume an eine Buchhandlung vermietet. „Dort werden hauptsächlich religiöse Schriften, aber auch Romane angeboten. Jetzt ist alles verbrannt“, sagt Ali Ipek, Landesbeauftragter der Ditib und Mitglied des Moscheevereins. „Solche Anschläge werden zur Einschüchterung gemacht“, sagt er.

Der Geschäftsinhaber Kadir Kimet verkleidet die zerstörten Fenster mit Platten aus Pressspan. „Ich sage nichts, es gibt einfach keine Worte dafür“, sagt Kimet. „Erst am Samstag haben hier in der Mauserstraße Kurden demonstriert, dann kam der Anschlag.“ Kimets Behauptung wird von den Behörden nicht bestätigt. Von einer Demonstration in der Mauserstraße wissen weder Stadt noch Polizei etwas, nur von der Demo am Kernerplatz. Safa Kimet, der Sohn des Geschäftsinhabers, ist sich sicher: „Alles weist auf die Kurdische Arbeiterpartei PKK hin. Die Räume gehören der Ditib und damit indirekt dem türkischen Staat.“ Im Geschäft sei alles kaputt: Computer, Kassen, Bücher.

Die Polizei soll im Industriegebiet präsenter werden

Ismail Cakir, der Vorsitzende des Ditib-Moscheevereins, gibt sich kämpferisch: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir haben keine Angst.“ Gleichzeitig äußert er Kritik: „Die Polizei ist hier im Industriegebiet nicht so präsent wie an anderen Orten in der Stadt. Das sollte sich jetzt ändern.“ Auch er verweist auf die Kurden-Kundgebung am Samstag, von der die Behörden nichts wissen: „Unsere Leute haben sich mit Äußerungen zurückgehalten und den Demonstranten keinen Anlass zu Krawall gegeben.“ Überhaupt gibt man in der Gemeinde vor, vom kurdisch-türkischen Konflikt nicht viel wissen zu wollen. Einer, der namentlich nicht genannt werden will, sagt: „Das geht uns hier doch alle gar nichts an. Die sollen doch in der Türkei protestieren!“

Am Dienstag sind es etwa 200 prokurdische Teilnehmer, die in der Stuttgarter Innenstadt gegen ein „Massaker der türkischen Militärs“ demonstrieren.