Immer mehr Technik im Haushalt – vor allem Sensortechnik spielt für Bosch heute eine Schlüsselrolle. Kaffeevollautomaten boomen seit Jahren; noch weiter ist man beim internetfähigen Backofen, der sich via Tablet bedienen lässt. Foto: Bosch

Eine Investition von drei Milliarden ist auch für einen finanzstarken Konzern wie Bosch kein Pappenstiel. Der Kauf des Gemeinschaftsunternehmens BSH belegt, dass online-fähige Küchengeräte für den Konzern mehr sind als eine Spielerei.

Stuttgart - Bosch wird gemeinhin als Autozulieferer wahrgenommen, doch die milliardenschwere Übernahme des bisherigen Gemeinschaftsunternehmens Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) zeigt, dass der Konzern nicht nur mehr als das ist, sondern auch mehr sein will. Der Bosch-Konzern baut Windradgetriebe ebenso wie Bohrmaschinen, Heizungen und eben Backöfen. Doch Bosch will kein Gemischtwarenladen sein, sondern setzt darauf, seine Kompetenzen so zu entwickeln, dass sie in verschiedenen Geschäftsbereichen nutzbar sind – und die Geschäftsbereiche, in denen man sich verstärkt, so auszuwählen, dass sie zu den bestehenden Kompetenzen passen.

So gesehen, passt der Kauf der Siemens-Anteile an BSH gut zur Strategie, denn er erleichtert den Einsatz der Bosch-Kompetenz auf dem Bereich der Sensoren, wie sie in der erst wenige Jahren alten Fabrik in Reutlingen gefertigt werden.

Solche Sensoren werden zum Beispiel im Auto benötigt, damit die Elektronik etwa erkennen kann, ob das Fahrzeug ausbricht. Auch jedes zweite Smartphone auf der Welt und nicht zuletzt iPhones sind mit den Bosch-Sensoren ausgestattet, die auch für Hausgeräte wichtig sind. Wie breit die Einsatzgebiete dieser technologisch anspruchsvollen, immer kleiner werdenden Sensoren ist, zeigte Bosch vor einigen Wochen auf der Internationen Funkausstellung. Dort stellte man einen Herd vor, dessen Sensoren die Feuchtigkeit des Teigs messen und an die Elektronik des Herds melden können. Diese passt dann den Backvorgang entsprechend an.

Es gibt inzwischen auch eine Backofen-App, mit der sich die Öfen fernsteuern lassen. Auch die Vernetzung von Hausgeräten passt in die Strategie des Bosch-Konzerns, der darum kämpft, dass ihm das Geschäft nicht von Internetfirmen wie Google weggenommen wird. Der milliardenschwere Kauf des Raumthermostat-Herstellers Nest durch den US-Konzern Google zeigt bereits, dass die Grenzen zwischen realer Welt und Internet verschwimmen – und dass sowohl Industrieunternehmen als auch IT-Unternehmen an dieser Schnittstelle große Geschäftschancen sehen. Die Vernetzung von Hausgeräten, Heizungen und Sicherheitseinrichtungen sollen das Wohnen „smart“ machen und es ermöglichen, Räume über das Netz zu überwachen und Hausgeräte etwa über das Smartphone zu steuern.

Bosch arbeitet auch an einem Megatrend der Autoindustrie – der Vernetzung des Fahrzeugs für Zwecke der Sicherheit, der Unterhaltung und nicht zuletzt mit dem Ziel des autonomen Fahrens. Auch hier kann der Konzern seine Kompetenzen für mehrere Geschäftsbereiche nutzen, zumal das Unternehmen auch Heizungen und Sicherheitstechnik herstellt, die sich ebenfalls für eine Vernetzung geradezu anbieten. Vor der abendlichen Fahrt nach Hause die Heizung einzuschalten oder vom Urlaub aus die Alarmanlage fernzusteuern – solche Funktionen lassen sich noch weit über das heute Mögliche hinaus ausbauen.

Für den Stuttgarter Konzern sind all keine Spielereien, sondern ein Milliardenmarkt. Bosch sieht darin im mehrfacher Hinsicht eine Vorbereitung auf die demografische Entwicklung: Die wachsende Zahl älterer Menschen wünscht eine einfache Bedienung. Wenn es gelingt, die neuen technischen Möglichkeiten in anwenderfreundliche Benutzeroberflächen zu integrieren, gibt es hier eine dankbare Zielgruppe. Zumal auch Ältere zunehmend die Scheu vor den nutzerfreundlicher werdenden Smartphones und Tablets verlieren. Für die jüngere Generation wiederum, die mit dem Internet aufwächst, sind „vernetzte, komfortable Lösungen heute selbstverständlich“, erklärte Bosch-Chef Volkmar Denner. „Sie möchte ihre Haushaltsgeräte mit dem Smartphone oder dem Tablet steuern und mit innovativen technologischen Lösungen ihr Zuhause aufwerten.“

Wie groß das Wachstum ist, das Bosch erwartet, zeigen die Geschäftsprognosen der BSH, die im vergangenen Jahr gut zehn Milliarden Euro umgesetzt hat: In den kommenden zehn Jahren soll sich der Umsatz verdoppeln. Während die Nachfrage in Industrienationen durch technologisch anspruchsvolle Geräte getragen werden soll, sieht Bosch in vielen Schwellenländern einen hohen Bedarf an einer Erstausstattung mit Haushaltsgeräten. Für Bosch hat der Kauf auch den Vorteil, das Gewicht der Kraftfahrzeugsparte zu verringern, die unter extremem Kostendruck durch Autohersteller und einer starken Anfälligkeit für konjunkturelle Schwankungen leidet.

Die Milliarden, die der Bosch-Konzern nach München überweist, wurden von Siemens praktisch am gleichen Tag wieder ausgegeben: Siemens übernimmt für sechs Milliarden Euro den US-Turbinenspezialisten Dresser Rand. Damit will Siemens vom Boom der Schiefergasförderung in den USA profitieren.