Ein Daimler-Beschäftigter arbeitet an einem neuen 4-Zylinder Dieselmotor Foto: Daimler AG

Große Konzerne wie Bosch und Porsche reagieren positiv auf die Ankündigung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dass die Fahrverbote nicht in Stein gemeiselt seien.

Stuttgart - Die Industrie in Baden-Württemberg hat positiv auf die Ankündigung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) reagiert, die Fahrverbote in Stuttgart noch einmal zu überdenken: „Dass die angekündigten Fahrverbote in Stuttgart offenbar seitens des Ministerpräsidenten wieder infrage gestellt werden, ist erfreulich“, sagte Wolfgang Wolf, Vorstandsmitglied beim Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie (LVI), unserer Zeitung.

Die Fahrverbote würden nach Ansicht Wolfs dem Standort Stuttgart und mittelbar auch dem Standort Baden-Württemberg schaden, indem sie das Funktionieren der Wirtschaftstätigkeit gefährden und nebenbei den Vertrauensschutz der Besitzer nahezu neuwertiger Dieselfahrzeuge unterwanderten. „Wenn nun die beteiligten Akteure gemeinsam Lösungswege erörtern, die ohne Verbotsszenarien auskommen, begrüßen wir das explizit.“ Kretschmann hatte im Interview mit unserer Zeitung angekündigt, dass die Fahrverbote noch nicht in Stein gemeißelt sind. Die Fahrverbote kämen dann nicht, „wenn es die Industrie schafft, ältere Dieselmotoren nachzurüsten“.

Das Land steht vor einem tiefgreifenden Wandel

Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, wies darauf hin, dass es nicht leicht werde, nun die Stimmung zu drehen: „Stuttgart ist jetzt auf einmal die dreckigste Stadt Deutschlands“, so Richter. „Innerhalb weniger Monate hat man es geschafft, Stuttgart dieses Etikett aufzudrücken.“ Er befürchtet, dass dem Land durch die Diskussionen rund um die Fahrverbote ein nachhaltiger Schaden entstanden ist. „Das wird möglicherweise Probleme im Tourismus nach sich ziehen oder bei dem Versuch, Fachkräfte, die wir dringend brauchen, nach Baden-Württemberg zu locken.“ Seiner Ansicht nach müsse nun ein Mobilitätskonzept erarbeitet werden, das sich nicht nur mit der Frage befasst, ob von 2018 an Fahrverbote gelten oder nicht, sondern wie die Mobilität im Land in 20 Jahren aussieht.

Auch jenseits der Frage, ob in Stuttgart künftig an einigen Tagen für ältere Dieselfahrzeuge ein Fahrverbot gilt, befindet sich die Autoindustrie in einem epochalen Umbruch. Die Chefs großer Konzerne wie Bosch und Porsche begrüßen es, dass Kretschmann auf dem Autogipfel am 24. April ein Organ aus Wirtschaft und Politik installieren will, das Baden-Württemberg zu einem Leuchtturm neuer Mobilitätskonzepte macht. „Die baden-württembergische Automobilindustrie wird in den kommenden Jahren einen Transformationsprozess durchleben“, sagte Bosch-Chef Volkmar Denner unserer Zeitung. „Insbesondere der Wandel hin zum elektrischen Fahren birgt große Chancen, aber auch Herausforderungen für die hier ansässigen Unternehmen.“

Die baden-württembergische Wirtschaft hängt stark vom Verbrenner ab

Die deutsche und gerade die baden-württembergische Automobilindustrie hätten heute große Teile ihrer Wertschöpfung, ihrer Kompetenzen und damit auch ihrer Wettbewerbsvorteile in der Produktion von Diesel- und Benzinmotoren oder auch Getrieben. „Das gemeinsame Ziel von Politik und Industrie muss sein, dass wir künftig auch bei der Elektromobilität technisch führend und geschäftlich erfolgreich sind“, so Denner.

Er begrüße daher die Einberufung des Autogipfels und fordere, dass dort alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen des Transformationsprozesses diskutiert werden. „Es darf nicht passieren, dass der Umbruch der Branche durch nachteilige Regulierung zeitlich beschleunigt wird, ohne dass es schlüssige Antworten auf diese Fragen gibt“, so Denner.

„Wir unterstützen die Initiative des Ministerpräsidenten und freuen uns, dass er das Gespräch sucht“, sagte auch Oliver Blume, Chef des Sportwagenbauers Porsche. Gemeinsame Herausforderungen von Wirtschaft und Politik sieht er vor allem bei der Digitalisierung, die neue Anforderungen an junge Menschen stellt. „Es geht aber auch um die Elektrifizierung mit sich verändernden Wertschöpfungsketten und notwendiger Ladeinfrastruktur. Die Automobilindustrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen“, so Blume. „Und hier setze ich auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Politik.“

Auch Eckart von Klaeden, Leiter Politik und Außenbeziehungen beim Autobauer Daimler, begrüßt den Autogipfel: Ein offener und konstruktiver Dialog mit der Politik sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.