Die „Bootis“ sind auch bei Dunkelheit und Minusgraden aktiv. Foto: Sascha Maier

Das Bootcamp-Zirkeltraining auf der Waldau macht auch vor dem Winter nicht halt. Wer hier schwitzt, ist hart im Nehmen – will es aber auch so.

Degerloch - Für Tina Habinger gibt es keine faulen Ausreden. Schlechtes Wetter gibt es nicht. Nur die falsche Kleidung. Das wissen ihre „Booties“, wie sie jene Menschen nennt, die sich seit Anfang des Jahres zweimal wöchentlich auf der Wiese gegenüber dem Luftbad-Verein auf der Waldau treffen. Auch wenn es regnet, stürmt, schneit.

Das Bootcamp-Zirkeltraining ist nach den sogenannten Bootcamps in Amerika benannt, wie umstrittene Einrichtungen bezeichnet werden, die schwer erziehbaren Jugendlichen mittels Drill Disziplin einbläuen. Auch mit den Kursteilnehmern auf der Waldau gibt es nur wenig Gnade. Doch schwer erziehbar sind diese nicht. „Die meisten, die mitmachen, sind Akademiker und Menschen in Führungspositionen“, sagt Fitnesscoach Habinger.

Sie scheut keinen Matsch

Beate Ziegler hat dunkelrot lackierte Fingernägel und sehr gepflegte Hände. Auch in ihren Trainingsklamotten wirkt die 40-Jährige durchaus noch damenhaft. Dass eine wie sie bei fast eisigen Temperaturen, die an diesem Tag auf der Waldau herrschen, eine Stunde lang schwitzen wird, den Matsch im nassen Gras nicht scheut und an ihre körperlichen Grenzen geht, würde man auf den ersten Blick nicht unbedingt denken. „Es macht einfach Spaß, alles zu geben“, sagt Ziegler.

So sieht es auch Moritz Reinecke. Der smarte IT-Projektleiter aus Stuttgart-Mitte besucht zwar begleitend zu den zwei Bootcamp-Trainingseinheiten in der Woche auch ein Fitness-Studio, findet die Schinderei auf der Waldau aber deutlich effektiver. „Durch die Gruppendynamik und den Ansporn der Coachs komme ich näher ans Limit“, sagt Reinecke. Für einen wie ihn, der beruflich sehr eingespannt ist, sei außerdem der Zeitfaktor wichtig: viel körperliche Fitness mit möglichst geringem zeitlichen Aufwand.

Angebrüllt wird niemand

Die Kurseinheit an diesem Tag leitet Tina Habingers Kollegin Mariella Koggel. Die zierliche junge Frau hat ein freundliches Gesicht. Einen Bootcamp-Sergeant stellt man sich anders vor. Aber plumper Drill gehört auch gar nicht zur Philosophie des Zirkeltrainings. „Angebrüllt wird hier niemand“, sagt Habinger. Stattdessen gehe es darum, individuell auf die Kursteilnehmer einzugehen. „Manche feuern wir an, andere motivieren wir etwas subtiler“, sagt Habinger. Zum Beispiel, indem die Zeit pro Zirkelstation oder die Anzahl der verbleibenden Stationen heruntergezählt wird.

Die Kursteilnehmerin Beate Ziegler gehört offenbar zur ersten Fraktion. „Los, los, los, los!“, ruft Michaela Koggel und schaut Ziegler ins Gesicht, während diese zentimeterdicke Tauseile schwingt. Zeit zu pausieren, gibt es beim Bootcamp-Zirkeltraining kaum. Darum erreiche der Puls so hohe Werte wie beim Sprint.

Das ist nicht nur gut für die Fitness. Es verbrennt auch Kalorien. „Unser Bootcamp ist eine gute Gelegenheit, um abzunehmen.“ Bei den Anwesenden macht allerdings keiner den Eindruck, als hätte er ein paar Pfunde zu viel.

Die Trainerinnen haben sowieso so gut wie kein Gramm Speck auf den Rippen. Tina Habinger kann sich ein Leben ohne Sport überhaupt nicht vorstellen. Die 32-Jährige hat Handball jahrelang als Leistungssport betrieben, wie sie sagt. „Ich kannte es nicht anders, als fünfmal die Woche zu trainieren“, sagt sie. Also hat die Sportlehrerin das Bootcamp-Training für sich entdeckt. Zunächst als Teilnehmerin, dann wurde sie Coach. „Und am Wochenende gehe ich joggen oder Fahrrad fahren“, sagt Tina Habinger.

Sind es also Fitnessverrückte, die sich im Bootcamp zu Hause fühlen? Im Winter kann Habinger ihren muskelgestählten Körper allerdings nicht zur Schau stellen – zumindest wenn sie Kurse leitet. „Da wird es dann furchtbar kalt, wenn man sich nicht bewegt“, sagt sie. „Also kommen wir wie die Michelin-Männchen verkleidet.“