Auf dem Bolzplatz in Mühlhausen wächst kein Gras mehr – typisch für den Zustand vieler Rasenplätze in Stuttgart Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

130 Bolzplätze verteilen sich über das Stadtgebiet. Viele von ihnen haben ihre beste Zeit hinter sich. Die Vertreter der Jugend in Stuttgart fordern, dass mehr Spielfelder gebaut und saniert werden.

Stuttgart - Beim Duell vier gegen vier geht es auf dem Kunstrasenfeld hinter dem Züblin-Parkhaus locker, aber technisch anspruchsvoll zu. Nasser streichelt den Ball mit der Sohle, geht mit einem kurzen Antritt rechts an seinem Gegenspieler vorbei und legt den Ball quer vors Tor. Dort muss Cemal das Spielgerät nur noch ins Tor schieben. Der 22-Jährige im Fenerbahce-Trikot lässt dem Torwart keine Chance, trifft – und lacht zufrieden. Der Spaß steht an diesem Abend im Vordergrund. Die jungen Männer spielen gerne auf der neuen Freizeitanlage im Leonhardsviertel, die für rund 350 000 Euro gebaut und Anfang Mai eröffnet worden ist. „Der Kunstrasenbelag ist klasse, die Tore sind cool und sogar mit Netz – da macht das Kicken richtig Spaß“, sagt Cemal.

Seine Kumpels und er sind in der City aufgewachsen und haben solch eine Möglichkeit zum Fußballspielen lange vermisst. Früher kickten sie nur wenige Meter entfernt auf einem Bolzplatz in der Wagnerstraße, direkt neben mehreren Kneipen und einer Einrichtung für alte Menschen. Das sei für alle Beteiligten jedoch alles andere als optimal gewesen, sagt Nasser. Die Benutzung ist nur Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre gestattet. Oft seien sie deshalb von der Polizei weggeschickt worden. Dieses Problem gibt es jetzt nicht mehr: für den neuen Kunstrasenplatz an der Katharinenstraße gilt keine Altersbeschränkung. Dafür ist dort der Andrang oft riesig.

Das neue Feld hat sich binnen weniger Wochen zum neuen Bolzplatz-Mekka Stuttgarts entwickelt. Insbesondere samstags und sonntags pilgern auch junge Erwachsene aus anderen Stadtbezirken ins Leonhardsviertel, um hier zu kicken. Manch einer kommt sogar aus Ludwigsburg und Umgebung. „Am Wochenende ist man froh, wenn man mit seiner Mannschaft überhaupt mal drankommt“, sagt Mehdi. Das spricht einerseits für das neue Spielfeld, andererseits zeigt es: attraktive, öffentlich zugängliche Optionen zum Fußballspielen sind sonst ziemlich rar.

„Zustand von rund 90 Prozent der Bolzplätze nicht in Ordnung“

Den Angaben des Garten-, Friedhofs- und Forstamts zufolge gibt es in Stuttgart zwar 130 Bolzplätze. Das Problem ist nur: die Qualität zahlreicher Spielfelder ist schlecht, teils sogar desaströs. „Der Zustand von rund 90 Prozent der Plätze ist nicht in Ordnung“, betont Jugendratssprecher Michael Williams. Und das unabhängig vom Belag. Die Naturrasenfelder sind teils so zertrampelt, dass Grashalme nur noch am Rand wachsen und in dem Bereich zwischen den Toren mit roter Asche aufgefüllt werden muss; ältere Hartgummiplätze, auch Tartan genannt, sind porös und werden bei Nässe zu einer gefährlichen Rutschbahn; und manche Asphaltbeschichtungen sind aufgebrochen, Schlaglöcher und andere Unebenheiten sind die Folge. „Die Stadt- und Bezirksräte sind über die Situation informiert“, sagt Williams, „aber sie kommen bei diesem Thema offenbar nur schwer in die Gänge.“

Und das, obwohl das Bolzen bei Heranwachsenden in Stuttgart sehr beliebt sei, wie Andreas Mündörfer bestätigt. Er ist der Sachgebietsleiter Bewegungsförderung und Sportentwicklung im Sportamt der Stadt. Dadurch, dass Deutschland im vergangenen Jahr Weltmeister worden sei, sei die Begeisterung fürs Kicken „definitiv nicht weniger“ geworden. Mündörfer sagt aber auch: „Wenn der Weg zum nächstgelegenen attraktiven Bolzplatz zu weit ist, muss man sich nicht wundern, wenn Kinder nur noch an der Konsole Fußball spielen.“

Für die Umsetzung der Baupläne, Kontrolle und Instandsetzung der Bolzplätze in Stuttgart ist das Garten-, Friedhofs- und Forstamt zuständig. Das Pflegeintervall hänge vom Belag und von der Intensität der Nutzung ab, erklärt Amtsleiter Volker Schirner: „Um einen Rasenplatz muss man sich selbstverständlich anders kümmern als um einen Asphaltplatz.“ Es gebe festgelegte Zyklen, in denen die Spielflächen von seinen Mitarbeitern kontrollieren würden. Pro Jahr seien sie an rund 120 Spielflächen aktiv. Seine Einschätzung sei, dass die meisten Bolzplätze regelmäßig genutzt werden.

Viele Jugendliche wünschen sich neue Bolzplätze

Die neueren, pflegeleichten Spielfelder mit Holzhackschnitzel-Belag kommen vor allem bei kleineren Kindern gut an – wie zum Beispiel beim Sportzentrum Vaihingen-West. „Das ist für die Jungs ideal, weil sie weich fallen“, sagt John Miller, der hier ab und zu mit seinem fünf Jahre alten Sohn Tom spielt. Ältere Hobbykicker hingegen meiden den Belag offenbar, weil dort der Ball nicht so gut rollt.

Und die Krux vieler herkömmlicher Beläge in Stuttgart ist: Sie sind schon so alt oder so intensiv genutzt worden, dass man sie nach Einschätzung von Jugendrat Williams komplett sanieren oder umbauen müsste. „Und Asphaltbeläge sind einfach nicht mehr zeitgemäß, sie sollten nach und nach in Natur- oder Kunstrasen umgewandelt werden“, fordert das Jugendratsmitglied. Neue Bolzplätze würden die Stadt zudem attraktiver machen, sagt Williams: „Viele Jugendliche wünschen sich das.“

Laut Garten-, Forst- und Friedhofsamt werden in diesem Jahr fünf Plätze saniert. Es seien außerdem weitere Umbauten vorgesehen, man sei da in regem Austausch mit dem AK Spielflächen des Gemeinderats. „Es kann aber nicht alles auf einmal gemacht werden“, sagt Schirner, „dafür braucht man Geld und Personal.“