Das Boehringer-Areal an der Stuttgarter Straße gegenüber der Firma Märklin, setzt sich aus mehreren Hallen aus unterschiedlichen Baujahren zusammen. Ein Teil des Geländes steht unter Denkmalschutz. Foto: Stadt Göppingen

Es gibt viele Ideen, wie das Boehringer-Areal künftig genutzt werden könnte. Doch bevor die Stadt Pläne für Messehallen oder ein Technikforum voranbringen kann, muss sie erst einmal gegensätzliche Interessen unter einen Hut bringen.

Göppingen - Seit rund eineinhalb Jahren gehört das 48 000 Quadratmeter große Boehringer-Areal am westlichen Stadteingang gegenüber von Märklin der städtischen Tochtergesellschaft Business-Park-Göppingen (BPG), die bereits den Stauferpark für die Stadt Göppingen entwickelt hat. Nun soll die BPG auch das Boehringer-Areal voranbringen und meldet bereits erste Erfolge: So hat sich die Firma Elektroplan auf 500 Quadratmetern im ehemaligen Verwaltungsgebäude eingemietet, in Kürze soll ein Architekturbüro folgen. Doch obwohl einige neue Mieter eingezogen sind, wird es noch Jahre dauern, bis der ehemalige Stammsitz der Firma Boehringer sich in das neue, lebendige Gewerbeviertel mit historischem Flair verwandelt, das der Stadt vorschwebt.

Warum das so ist, hat am Donnerstagabend Axel Ramsperger von der Firma Blue Estate erklärt. Die Projektentwicklungs- firma ist eine Tochter der Südwestbank und wurde von der BPG mit einem Entwicklungskonzept für das Areal beauftragt. Die Untersuchung zeigt, dass die Struktur der Gebäude, die bisher auf die Bedürfnisse einer großen Firma ausgelegt war, es schwierig macht, viele kleinere Betriebe anzusiedeln. So müssen die großen Werkhallen unterteilt werden, es müssen Verbindungswege geschaffen werden, und auch der Brandschutz wird die Stadt und die BPG sicher noch in Atem halten. Hinzu kommt, dass ein großer Teil des Geländes unter Denkmalschutz steht.

Gutachter: Nicht alles erhaltenswürdig

Ein Gutachter der Blue Estate zweifelt Ramsperger zufolge allerdings an, dass tatsächlich ein so großer Teil der Gebäude erhaltenswert ist, wie das Denkmalamt bisher vorgibt. Denn die Gebäude stammten alle aus unterschiedlichen Baujahren und seien immer wieder erweitert und umgebaut worden. Einen durchgängigen Stil, der den Hallen einen dokumentarischen oder exemplarischen Wert verleihen würde, gibt es aus Sicht des Gutachters nicht. Die ansprechende Außenfassade aus Ziegeln an der Stuttgarter Straße sei lediglich vor die Hallen gehängt und spiegle nicht den Zustand der Werksgebäude wieder.

Die Experten hoffen deshalb, dass das Denkmalamt mit sich verhandeln lässt. Der historische Boehringer-Turm sowie die alte Gießerei und andere Teile des historischen Kerns von Boehringer stehen freilich nicht zur Disposition. In der alten Gießerei soll eine gemischte Nutzung umgesetzt werden. Das könnte etwa Gastronomie sein, eine Messehalle oder auch das Technikmuseum, das sich das Technikforum Göppingen schon lange für seine Sammlung historischer Maschinen wünscht. Aus Sicht der SPD könnte auf dem Areal ein Industriekultur-Zentrum mit Museum und Handwerkergasse entstehen.

Städtebaulicher Wettbewerb geplant

Auf die Frage des SPD-Stadtrats Klaus Wiesenborn, inwieweit ein solches Zentrum zurzeit eine Rolle in den Überlegungen der Planer spiele, reagierte der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till am Donnerstagabend zurückhaltend. Er erinnerte die Stadträte daran, dass die Stadt die Werfthalle im Stauferpark irgendwann nicht mehr als Messehalle nutzen können wird. Sie wurde vor einiger Zeit verkauft und steht nur noch eingeschränkt zur Verfügung. Die alte Gießerei sei doppelt so groß wie die Werfthalle, und die Stadt brauche auch künftig Platz für Messen und ähnliche Veranstaltungen. Deshalb müsse man das bei den Planungen berücksichtigen – und erst dann könne man sehen, wie viel Platz noch übrig bleibe.

Auf der Agenda der Planer steht nun, sich beim Denkmalschutz mit der Behörde abzusprechen. Dann soll das Gesamtkonzept für das Areal weiter vorangebracht werden und ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben werden, um Vorschläge von Architekten einzuholen, wie die Umsetzung aussehen könnte.

Unimog bis Drehmaschine

Geschichte:
Johann Georg Boehringer gründete 1844 eine mechanische Werkstätte in Göppingen, die Dampfmaschinen baute. Daraus entwickelte sich in den 1870er Jahren eine Werkzeugmaschinenfabrik, die sich auf Drehbänke und Hobelmaschinen spezialisierte und zu einem der größten deutschen Drehbankhersteller wurde. Seit 1900 wurden auch Revolverdrehbänke für die Automobilindustrie gebaut. Während des Zweiten Weltkriegs wurde auf Heeresproduktion umgestellt. Wegen des Bauverbots für kriegswichtige Maschinen durch die Alliierten nach dem Krieg machte man sich auf die Suche nach „Friedensprodukten“ und stellte etwa Strumpfwirk- und Dosenverschließmaschinen her. Rolf Boehringer erwarb von Erhard & Söhne den Unimog, den die Firma von 1949 bis 1951 baute.

Heute:
Im Jahr 1972 ging Boehringer eine Kooperation mit der Firma Oerlikon-Bührle in Zürich ein, die 1973 eine Mehrheitsbeteiligung erwarb. 1981 wurde der Firmenname in Oerlikon-Boehringer geändert. Inzwischen gehört Boehringer zur MAG-Gruppe. Diese verkaufte das Firmengelände in Göppingen, das in weiten Teilen nicht mehr benötigt wurde, Anfang 2016 an die Stadt.