Die Veränderung der Häuserrisse wird mit Messstreifen festgehalten.Foto:factum/Weise Foto:  

Nach der Sanierung von Geothermiebohrlöchern hebt sich die Erde nicht mehr so schnell. Doch gibt es auch in den betroffenen Randgebieten nun mehr Schäden.

Böblingen - Rudolf Springholz fühlt sich im Stich gelassen. Er wohnt am Rande des Hebungsgebiets im Süden in der Böblinger Sudetenstraße. Seit einiger Zeit beobachtet er, dass sich an seinem Haus Risse bilden. Und er weiß, dass in unmittelbarer Nähe, im Gansseeweg, eine Geothermiesonde im Boden schlummert. 17

Erdwärmebohrungen der Firma Gungl im Süden und im Norden sind untersucht und als schadhaft befunden worden. Zwei im Norden und zwölf im Süden sind bisher saniert, das heißt, mit Zement gefüllt worden, damit kein Wasser mehr in die Gipskeuperschichten laufen kann, die angebohrt wurden, aufquollen und für die Erdhebungen verantwortlich gemacht werden. Nun treibt Springholz wie auch andere Hausbesitzer „die Angst vor einer tickenden Zeitbombe um“. Denn die Sonde im Gansseeweg wird vorerst nicht untersucht.

„Ich kenne viele Betroffene, die ebenfalls befürchten, dass es noch weitere, nicht sachgemäß vorgenommene Geothermiebohrungen gibt“, sagt der 83 Jahre alte Rentner. Laut dem Landratsamt ist in Böblingen insgesamt 200 Mal nach Erdwärme gebohrt worden, obwohl unter dem Stadtgebiet eine Gipskeuperschicht liegt. „Etwa die Hälfte der Bohrungen stammen von der Firma Gungl“, teilt die Kreisbehörde mit. Durch Höhenmessungen seien die Hebungsgebiete aber klar eingrenzt worden: im Gebiet Altinger Straße und im Gebiet Hans-Thoma-Weg. Mehr noch: seit den Sanierungsarbeiten im Norden, wo sich die Erde seit dem Jahr 2003 um bis zu einem halben Meter hob, gebe es erste Anzeichen dafür, dass sich die Hebungsgeschwindigkeit von zuletzt durchschnittlich sechs Millimetern im Monat nun verringere.

Sanierung des 13. schadhaften Bohrloches läuft

Im Süden wird zurzeit das 13. schadhafte Loch im Herdweg saniert. Hans-Peter Braun, einer der insgesamt bisher 200 registrierten Hausbesitzer mit Schäden, kann durch Expertisen eines Sachverständigen belegen, dass sich die Erde bei ihm immer noch hebt und Risse an seinem Haus entstehen. Dasselbe habe er von fünf Betroffenen gehört, die im östlichen Bereich, teilweise außerhalb des gekennzeichneten Hebungsgebiets Hans-Thoma-Weg wohnen. Sie seien nicht der Interessengemeinschaft Erdhebungen Böblingen (IGE-BB) beigetreten. Dies sei im Übrigen bei etwa der Hälfte der Hausbesitzer in dem südlichen Gebiet der Fall, wo die Fenster nicht mehr dicht seien und die Wände aufrissen.

Auch Rudolf Springholz ist nicht in der IGE-BB. „Die Mitglieder agieren zu ängstlich“, meint der streitbare Hauseigentümer. Keiner von ihnen traue sich so richtig, „seine Story zu erzählen, sodass in der Öffentlichkeit der Glaube herrscht, dass nicht wirklich Not am Mann ist“. Es gehe besonders um die Wertminderung der Häuser. „Viele ältere Bewohner haben ihr Eigenheim als Lebensversicherung und müssen nun ins Altersheim. Aber keine Bank ist bereit, ihnen einen Kredit zu geben.“

Neue Messungen mit einem Satelliten

Springholz fordert seit Langem, dass ihm eine flurstücksgenaue Karte über die Erdhebungen zur Verfügung gestellt wird, vor allem aber eine aktualisierte Version, die aufzeige, dass sich das Hebungsgebiet weiter ausdehne. „Eine solche wurde mir vom Wasserwirtschaftsamt verweigert“, sagt Springholz. Er legte beim Regierungspräsidium Einspruch ein. Die Antwort ist ihm für Dezember avisiert worden. „So lange keine eindeutige Karte vorhanden ist, können die geschädigten Bürger ihre Schadensersatzansprüche nicht klar formulieren“, erklärt Springholz.

„Das Landratsamt überwacht inzwischen durch neue Satellitenmessungen die Hebungen ganz genau“, erklärt Bernd Hommel von der IGE-BB und sieht eigentlich keinen Grund zur Unruhe „Diese Messungen ergeben dasselbe Bild wie die Analyse der Hebungsgebiete durch frühere Laserscanmessungen“, unterstreicht Dusan Minic, der Pressesprecher des Landkreises. Er versichert: „Wir haben keine Ausweitung der Hebungsgebiete festgestellt.“ Eine flurstücksgenaue Karte habe man aus Datenschutzgründen nicht herausgeben können. Die Interessengemeinschaft und auch das Landratsamt warten nun den Bericht des Landesamts für Geologie in Freiburg ab, der letzte Belege für die Ursache der Erdhebungen liefern soll.

Der Bericht soll auch im Insolvenzverfahren gegen die Firma Gungl weiterhelfen. Allerdings gibt es für den Insolvenzverwalter Thomas Luger nicht viel zu holen. Die Insolvenzmasse betrage maximal 150 000 Euro. Luger liegt nach der Prüfung des Amtsgerichts Ludwigsburg am vergangenen Mittwoch nun als Streitwert eine Gesamtsumme von 19 Millionen Euro vor, den 50 Geschädigte geltend machen.