Das Haus der Bodelschwinghschule ist im Herbst 1968 eröffnet worden – drei Jahre nach der gesetzlichen Verankerung der Schulpflicht für Menschen mit Behinderung. Foto: A. Kratz

Die Stuttgarter Schulen für Menschen mit geistiger Behinderung feiern Jubiläum. Denn 1965 ist im Schulgesetz die Schulpflicht für Kinder mit Handicap verankert worden.

Möhringen - Noch in den 1960er-Jahren galten Kinder mit geistiger Behinderung als „gemeinschaftsunfähig, bildungsunfähig und arbeitsunfähig“. „Dementsprechend wurden sie von Kindergärten, Schulen und Arbeitsstätten nicht aufgenommen und in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen.“ So formuliert es Christoph Hublow in seiner Entstehungsgeschichte der öffentlichen Schulen für Menschen mit geistiger Behinderung. Hublow war der erste Sonderschullehrer in Stuttgart und der erste Rektor der Bodelschwinghschule. Für deren Gründung hatten Eltern im Vorfeld jahrelang gekämpft.

Die Voraussetzung war die Neufassung des Schulgesetzes 1965. Mit dieser galt die Schulpflicht und damit auch das im Gesetz verankerte Recht auf Besuch einer Schule auch für Kinder mit Behinderung. Die Stadt Stuttgart eröffnete aber erst am 18. April 1966 eine „Sonderschule für bildungsschwache Kinder“. Diese war als solche aber noch nicht einmal erkennbar. Denn die zwölf Klassen mit je zehn Schülern waren an vier verschiedenen Orten untergebracht.

Die Mütter und Väter haben viel geleistet

Erst im Herbst 1968 war das Gebäude auf den Hengstäckern fertig, die heutige Bodelschwinghschule (BSS). Inzwischen gibt es in Stuttgart mit der BSS, der Gustav-Werner-Schule in Rot und der Helene-Schöttle-Schule in Steinhaldenfeld drei Einrichtungen. Am Wochenende feiern diese gemeinsam Jubiläum. „Wir haben uns bewusst dieses Datum ausgesucht“, sagt Andrea Regner. Seit einigen Jahren ist sie die Leiterin der BSS. Die drei Schulen feiern nicht die Gründung der ersten Einrichtung in Stuttgart, sondern eben die Novellierung des Schulgesetzes. Denn das sei ein wichtiger Schritt gewesen. Es seien vor allem Eltern gewesen, die darauf gedrängt hätten, diesen Schritt zu gehen. Regner hat viel in alten Dokumenten geblättert. „Es ist beeindruckend, was die Mütter und Väter damals in Bewegung gesetzt haben“, sagt die Rektorin. Bis heute sei das Engagement der Eltern wichtig. „Wir reagieren auf den Bedarf, der von den Müttern und Vätern an uns herangetragen wird.“

Doch dieser Bedarf hat sich verändert. Heute sprechen die Politiker und Pädagogen viel über „Inklusion“. Das ist auch Regners Vision. Allerdings müsse sie gut gemacht sein, ergänzt die Sonderpädagogin. Und: Inklusion sei nicht nur eine Aufgabe der Schulen, sondern der Gesellschaft. Regner ist überzeugt, dass sich da schon viel verändert hat. „Früher waren wir oft Bittsteller. Mittlerweile hat sich die Gesellschaft für Menschen mit Behinderung geöffnet.“ Seit den 1990er-Jahren gibt es Außenklassen. Heute nennt sich das offiziell „kooperative Organisationsformen“. Die BSS trägt seit Kurzem den politisch korrekten Zusatz „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung“.

Für 2016 ist eine Veranstaltungsreihe geplant

Für Regner sind das eher Worthülsen, die sie mit Leben füllen möchte. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern will sie zeigen, dass es Menschen mit einer geistigen Behinderung gibt. Und dass es sich lohnt, sich mit diesen Menschen auseinander zu setzen. Darauf soll der Festakt der drei Schulen am Samstag, 28. November, aufmerksam machen. Es ist der Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe. Die Schulen planen unter anderem einen Vortrag mit dem Landes-Behindertenbeauftragten Gerd Weimer, ein Konzert in den Wagenhallen und einen pädagogisch-historischen Stadtspaziergang mit Christoph Hublow.

Der Festakt
am Samstagvormittag, 28. November, ist nur für geladene Gäste. Von 14 bis 17 Uhr laden die drei Schulen jedoch alle Interessierten zu einem gemeinsamen Adventsbasar auf das Gelände der Bodelschwinghschule, Hengstäcker 3, ein. Es gibt Selbstgebasteltes, Kaffee und Kuchen.