Auf der Radsportstrecke im Neckarpark. Foto: Leif Piechowski

Wenn die deutsche BMX-Elite für Olympia trainiert, muss sie ins Ausland: In Deutschland gibt es keine Supercross-Strecke von olympischem Format. Das könnte sich bald ändern, in Esslingen stehen die Vorzeichen dafür gut.

Esslingen - Chancengleichheit? „Wenn wir vor einem BMX-Weltcup noch dabei sind, uns an die fremde Anlage zu gewöhnen, bereiten sich die andern schon auf die Details vor“, sagt Thomas Grimminger. „Dieser Wettbewerbsnachteil ist nur schwer auszugleichen.“ Der Leiter des Olympiastützpunktes Stuttgart (OSP) hat dies schon öfter bemängelt. Doch weiterhin müssen die Cracks dieser Radsportart zum Training auf Anlagen nach Südfrankreich, Holland oder Dänemark, weitere gibt es in England und eine kleinere in der Schweiz.

Ein Schritt nach vorn war 2010 die Einweihung des Sportspeichers in Stuttgart – einer Indoor-Trainingsanlage für BMX. Allerdings: „Dort gibt es keine komplette Rennstrecke. Dort wird nur Technik und Starttraining geübt“, sagt Grimminger. Es sei deshalb nach wie vor der dringende Wunsch der Athleten, eine echte Supercross-Strecke zu bekommen – und das möglichst schnell. Standort sollte die Region Stuttgart sein: „90 Prozent der Nationalmannschaft sind aus dem Großraum Stuttgart“, sagt der OSP-Leiter. Unter ihnen etwa die derzeit erfolgreichste Frau, Sarah Sailer aus Schwäbisch Hall, und Luis Brethauer aus dem Kreis Reutlingen, der WM-Bronzemedaillengewinner vom Juli in Neuseeland. „Es macht deshalb Sinn, in diesem Großraum nach einem Standort zu suchen.“

Fündig wurde der OSP in Esslingen. Am Rande des Stadtteils Berkheim wurde Ende Juni ein Bikepark für Jugendliche eröffnet. Die Schwierigkeit sei Mittelstufe, sagt Grimminger und freut sich über den rührigen TSV Berkheim. „Dort wäre die Infrastruktur schon vorhanden“, sieht Grimminger in Esslingen Vorteile. Nicht ausschließen will er aber auch Alternativstandorte: So könnten in Stuttgart Tennenplätze, die ohnehin renoviert werden müssen, in eine BMX-Anlage umgebaut werden, und auch in Kornwestheim bemühe sich ein Verein um die Supercross-Strecke. Doch dort gebe es noch ein Platzproblem.

Tribüne überflüssig

Esslingen hat im Moment also die Nase vorn. Um Nägel mit Köpfen zu machen, hat Thomas Grimminger eine Expertise mit allem, was für eine Supercross-Strecke notwendig ist, an OB Jürgen Zieger geschickt. Bei der Stadtverwaltung wird diese Machbarkeitsstudie zurzeit geprüft. Und tatsächlich stehen die Chancen gut. Vor acht Jahren hat die Stadt dort einen Bebauungsplan für das mehrere Hektar große Sportgelände Holzäcker aufgestellt. Realisiert worden sind dort bisher ein Kunstrasenplatz und der BMX-Park. Die Freiflächen sind bisher gedacht für ein Großspielfeld für den TSV Berkheim und eine Tennishalle für den TC Berkheim. Beide Vereine sind sehr engagiert, ob sie allerdings weiterhin an ihren vor acht Jahren angedachten Projekten hängen, bezweifelt ein Insider. Die Verwaltung lotet zurzeit die Wünsche der Vereine aus.Würde sich also der TSV mit seinem Kunstrasenplatz zufriedengeben und der Tennisclub am bisherigen Standort bleiben, wäre genug Platz für die 104 auf 88 Meter große Supercross-Strecke.

Neben der Cross-Strecke müssten dann noch Infrastruktureinrichtungen geschaffen werden wie zusätzliche Parkplätze, Stellplätze für Fahrradhänger oder ein Campingplatz. Eine Tribüne hält Thomas Grimminger für eher überflüssig. Wenn dort einmal Wettkämpfe stattfinden sollten, wäre eine temporäre Tribüne ausreichend. Bei der Stadt ist man sich bewusst, dass mit dem Olympiastützpunkt „nicht irgendwer“ angefragt hat und der Bau der Supercross-Strecke eine Chance wäre, viele Jugendliche zu motivieren und hochkarätige Sportler an den Ort zu bekommen: eine Sogwirkung.

In acht bis zwölf Wochen ist die Bahn zu machen

Die Kosten für die Anlage schätzt Thomas Grimminger einschließlich Entwässerung auf 300 000 bis 400 000 Euro. Damit Bundeszuschüsse fließen können, müsste der Bund Deutscher Radfahrer das Projekt jetzt rasch auf die Prioritätenliste stellen.

Wenn Baufreigabe und Finanzierung stehen, kann alles ganz schnell gehen: In acht bis zwölf Wochen ist die Bahn zu machen. Sie ginge dann 2015 in Betrieb, rechtzeitig fürs Training für Olympia 2016 in Brasilien. „Der Konstrukteur der olympischen Anlage ist uns bekannt“, sagt Grimminger. Aus seiner Sicht gibt es einen einfachen Trick, die deutschen Sportler bestmöglich vorzubereiten. „Wir beauftragen den gleichen.“